Z U R Ü C K
Ansprache von Dr.
Friedrich Lepperdinger
im Rahmen der Buchpräsentation im Gemeindesaal Bürmoos am
26. 10. 2007
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Liebe Bürmooserinnen und Bürmooser,
Liebe Freunde und Bekannte!
Ich glaube ich darf mich im Namen aller
bei Kurt Winkler,
Reinhard Kaiser und Andreas
Stegbuchner
für die eindrucksvolle Vorstellung des Buches in Wort und
Bild bedanken. Was wir in einer halben Stunde erlebten, ist
in einer stundenlangen Vorbereitung entstanden.
Jeder, der sich in der Medienwelt ein wenig auskennt, weiß,
dass es nicht so einfach ist eine Show zusammenzustellen und
vor allem so zu perfektionieren.
Ich möchte nun einige grundsätzliche Bemerkungen zum
vorliegenden Buch machen.
Viele Bürmooser werden sagen, schon wieder ein Buch. Bürmoos
ist tatsächlich reich an Publikationen. Innerhalb kürzester
Zeit ist dies das dritte Buch.
Ich kenne den Ort mein Leben lang und schreibe über ihn seit
mehr als vierzig Jahren. Ich war wir dabei immer meiner
Verantwortung den Menschen von Bürmoos gegenüber bewusst,
die in ehrlicher Arbeit ihr persönliches Schicksal und das
des Ortes gestaltet haben und ich habe mich angestrengt, den
wahren Gang der kurzen bewegten Geschichte des Ortes
nachzuzeichnen. Wenn ich geschrieben habe und schreibe so
immer im Bewusstsein, was man schreibt, das bleibt. Ich
möchte diese Binsenweisheit jedem der zur Feder greift oder
sich vor den Bildschirm setzt, ans Herz legen. Bürmoos ist
kein Spielball für Propaganda- und Gruselgeschichten.
Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Ein Bild kann mehr sagen
als tausend Worte“. Bürmoos mit seiner kurzen, aber
ereignisreichen Ortsgeschichte regte immer wieder zu
schriftlicher Darstellung an, sodass es Datenmaterial und
Berichte über den Ort ausreichend gibt. Was aber fehlt ist
eine umfassende bildliche Dokumentation, die uns im Sinne
der chinesischen Weisheit eine echte Bereicherung um Bürmoos
bringt.
Dennoch möchte ich nachdrücklich betonen, das vorliegende
Buch ist weder ein Heimat- noch ein Bilderbuch. Es ist eine
Dokumentation der Zeitgeschichte, eingebunden in die
Entwicklung unserer näheren Heimat. Und im Mittelpunkt steht
der Mensch. Wir sind die Zeit, hat unser jetziger Papst
gesagt und damit eine Wahrheit ausgesprochen, die jeden von
uns zu einem Träger der geschichtlichen Entwicklung macht
und uns einbindet in die Generationen, die vor uns waren und
nach uns kommen werden. Bürmoos ist nicht irgendwelchen
Bewegungen zu verdanken oder gar der materialistischen
Dialektik, es ist das Ergebnis der Arbeit von Frauen und
Männer.
Kurt Winkler
gab den Anstoß für dieses Buch. Als begeisterter Fotograf
ist er seit Jahrzehnten mit seiner Kamera unterwegs, hält
die Ortsereignisse fest und sammelte daneben viele
historische Aufnahmen. Ein reiches Archiv bildete sich im
Laufe der Jahre. Seine Absicht, es für ganz Bürmoos zur
Verfügung zu stellen, brachte ihn auf die Idee, damit ein
Buch zu machen. Seine Einladung, daran mitzuarbeiten nahm
ich gerne an. Es entwickelte sich eine jahrelange
Zusammenarbeit. Viele Stunden sind wir gemeinsam vor dem
Bildschirm gesessen, haben Bilder betrachtet und ausgewählt,
dann den Weg durch die Ortsgeschichte gesucht.
1829 steht als Beginn unserer Darstellung. Der französische
Kataster ist der erste Markstein. Ein Blick auf dieses
kartografische Dokument zeigt die Naturlandschaft des
Moores, in dem sich kein Haus oder sonstige menschliche Spur
findet. Vor ca. 1 ½ Jahrhunderten begann die Erschließung
des „Biermooses“. Der Name kommt sicher von den Birken, wie
es im Salzburger Ortsnamenbuch von Franz Hörburger
nachzulesen ist. Torfstecher waren die ersten Arbeiter in
der Moorlandschaft. Das erste feste Haus erhielt die
Hausnummer Lamprechtshausen 24. Im Verzeichnis des oben
genannten Katasters gab es in Lamprechtshausen 21
Hausnummern. Das Haus mit Nummer 24, also später erbaut,
lässt sich anhand der Taufmatrikeln genau verfolgen, es ist
das heutige Gasthaus Rückl. Ursprünglich hieß es Mooswirt.
Ich erwähne diese Details deswegen, weil Geschichte ein
Fundament von festen Daten braucht und nicht bloß aus
Erzählungen und Fantasien gemacht werden kann. Man bedenke
allein die Erforschung der Wege um und durch das Moor.
Der eigentliche Beginn unseres heutigen
Bürmooses ist der Glasindustrie zu verdanken. Diese ist mit
Namen Ignaz Glaser unzertrennlich verbunden. Es ist
Kurt Winkler
zu verdanken, dass endlich eine Fotografie von diesem Mann
gefunden wurde. Ich habe jahrelang danach Ausschau gehalten.
Ohne diesen Mann gäbe es kein Bürmoos, ohne seine Betriebe
wäre die Lebensader des nördlichen Flachgaues, die
Lokalbahn, nie gebaut worden. Anfangs wurde sie von
verschiedenen Kreisen sogar „Judenbahn“ genannt. An der
Integrität der Person Ignaz Glaser haben nicht einmal die
Nazis von Bürmoos gerüttelt, einige von ihnen hatten ihn
noch persönlich erlebt. Auch hat das Grabmal mit seinem
Bildnis aus Stein auf dem jüdischen Friedhof in Aigen, die
von Judenhass und Verfolgung erfüllte Zeit überdauert. Es
ist daher äußerst befremdend, wenn heute von verschiedenen
Seiten an diesem Mann Kritik geübt wird und immer wieder
falsche Bilddokumente von ihm auftauchen. Jedem, der nicht
weiß, wie er ausgesehen hat, empfehle ich einen Besuch des
jüdischen Friedhofes in Aigen. Dort kann er dem Gründer von
Bürmoos von Angesicht zu Angesicht in die Augen blicken.
An den Beginn der Besiedlung können wir nur die Namen der
Menschen stellen, die hier Arbeit und Brot fanden. Ich habe
sie aus den Taufmatrikeln der Pfarre Lamprechtshausen
herausgeschrieben. Viele dieser Namen sind noch heute in
Bürmoos anzutreffen. Es waren einfache Menschen, deren
Kapital ihre Muskelkraft war, nur wenige waren über den
Hilfsarbeiterstand hinausgekommen.
So geben wir einen Überblick über die Namen der Glasbläser,
der Torfstecher und der Ziegelarbeiter. Jeder von ihnen hat
eine Spur in Bürmoos hinterlassen, einen Stein zum Aufbau
des Ortes beigetragen. Von den Glasbläsern kann dank der
Familie Wagner als einmaliges Zeitdokument das Arbeitsbuch
des Glasmachers Adolf Schmalzl gezeigt werden, dazu auch
noch ein Bild dieses Mannes und seine Lebensgeschichte.
Die Fotografie begann sich erst um die Jahrhundertwende zu
verbreiten, wie die alten Fotos zeigen. Fotografieren war
anfangs kompliziert und kostspielig. Es fanden sich aber
trotzdem genügend Fotos, um das erste industrielle Bürmoos
zu veranschaulichen. Gruppenfotos sind es in der Mehrzahl.
Mit etwas Einbildungskraft erkennt man daraus die Härte der
damaligen Arbeit und die Lebensumstände in der frühen
Industriesiedlung. Vom Ort selbst gibt es nur etliche
Aufnahmen. Die rußigen Fabrikschlote waren keine Motive für
Fotografen. Die Gründung der „Emmyhütte“ und die Hütte in
Brüx werden in vielen Bildern ausführlich dokumentiert. Der
Erste Weltkrieg und die nachfolgenden wirtschaftlichen
Schwierigkeiten veränderten das Bild um die Fabriken aus der
Glaserzeit nicht.
Als „Glasscherbenviertel“ wurde in der Arbeitslosenzeit das
Notstandsgebiet von Bürmoos im ganzen Land verschrien. Zum
Fotografieren war hier kaum noch etwas. Was die Bürmooser
Bevölkerung damals durchmachte, zeigen dafür die
Gemeindeprotokolle von Lamprechtshausen umso deutlicher. Sie
stehen für die Fotos, die sich damals kein Mensch in Bürmoos
hätte leisten können.
Die weitere geschichtliche Phase war der Zweite Weltkrieg.
Bürmooser in Soldatenuniform, Schaffnerinnen vor dem Zug.
Die Lokalbahn selbst wird ausführlich dargestellt. Von der
längst vergessenen Dampflok bis zum modernen Triebwagen, dem
alten Bahnhof mit dem Leierbrunnen davor bis zu den modernen
Ampelanlagen an den Kreuzungen, erscheint die nun mehr als
hundertjährige Verkehrseinrichtung.
Von den folgenden zeitgeschichtlichen Abschnitten möchte ich
nur auf einige verweisen: Das Häusel bauen, die
Infrastruktur, Schulen, Kindergarten, Betriebe und Industrie
mit einem Wort den Aufbau unseres modernen Bürmoos. Das
Angebot an Bildern wurde immer größer. War ursprünglich das
Problem überhaupt Bilder zu finden, so nun, die Auswahl zu
treffen. Vorerst beherrschte noch die
Schwarz-weiß-Fotografie das Feld, später kam die
Farbfotografie dazu und heute ist das digitale Bild zu
unserem ständigen Begleiter geworden.
Wir haben aber trotzdem den Kern unseres Buches, den
Menschen, nicht aus dem Auge verloren. So habe ich die
Lebensgeschichten von Flüchtlingen aufgegriffen.
Beispielhaft für viele steht für mich Hans Sauer. Von seiner
Heimat dem Banat vertrieben, kam er mit einer Hand, die
andere hatte er im Krieg verloren, mit seiner Familie nach
Bürmoos. Hier baute er im Moor ein Einfamilienhaus und
machte es zu seiner neuen Heimat.
Die vierzigjährige Gemeindegeschichte ist in vielen Teilen
sichtbar gemacht worden. Karl Zillner ist damit untrennbar
verbunden. Aber auch die anderen großen Persönlichkeiten von
Bürmoos, Pater Felix der Erbauer der katholischen
Pfarrkirche und Konsul Peter Malata, der Begründer eines
völlig neuen Industriezweiges, haben ihre Plätze im Buch
gefunden.
Das breite Spektrum des Bürmooser
Vereinslebens hat
Kurt Winkler
in mühevoller Arbeit eingefangen. Es zeigt einen
wesentlichen Teil des heutigen Soziallebens in der Gemeinde.
Als Schlusspunkt wollte ich mit der Lebensgeschichte von
Frau Maria Rückl, vulgo „Hauer Marie“ nochmals auf den
Träger von Zeit und Geschichte verweisen. Zusammen mit ihrem
Vater Alois Hauer, geboren 1876, der als Zehnjähriger nach
Bürmoos kam, haben sie von der Gründerzeit bis heute den
Gang der Geschichte von Bürmoos miterlebt und mitgetragen.
Wir hoffen, dass das Buch den gebührenden Platz in der
reichen Bücherwelt von Bürmoos erhält, wir haben uns um
Offenheit und historische Wahrheit bemüht.
Leider wird dem Bemühen um Wahrheit, wie wir es als
selbstverständlich erachten, von verschiedenen Autoren wenig
Aufmerksamkeit geschenkt.
Als ich die letzten Erscheinungen durchschaute, musste ich
sträfliche Nachlässigkeiten feststellen. Ich hoffe nur, dass
diese nicht absichtlich gemacht wurden, wenngleich sie bei
normaler Kenntnislage der Tatsachen unmöglich sind.
Am 1. Juli haben wir „40 Jahre Gemeinde Bürmoos“ gefeiert.
Jedes Kind weiß, dass daher Bürmoos 1967 Gemeinde wurde und
nicht 4 Jahre früher. Ebenso glaube ich, hat noch kein
Bürmooser von einem Hans Höller als Bürmooser Bürgermeister
gehört.
Ein weiteres Beispiel für die Missachtung der historischen
Wahrheit ist die Erzählung über den Tod von Anton Maxa vulgo
„Tondo“. Ich möchte dazu anführen, dass ich ihn persönlich
kannte, ebenso seinen Vater Ignaz, der als Bettler oft bei
uns, beim Thalleitl, vorbeikam.
„Tondo“ ist unter den ersten Gefallenen des
Russlandfeldzuges. Am Sonntag, 5.10.1941 war in
Lamprechtshausen eine Gedenkfeier für die gefallenen Helden,
darunter die Bürmooser Anton Maxa, Johann Armstorfer und
Karl Wagner, heißt es in der Schulchronik von Bürmoos, auch
abgedruckt im Buch „Die braune Trommel“ auf Seite 105. Wie
da der bedauernswerte Anton Maxa noch 1945 von Tschechen
erschlagen werden konnte, weil er tschechisch konnte, bleibt
wohl für jedermann ein Rätsel. Tschechisch konnte er, das
ist wahr. Ein Blick auf das Kriegerdenkmal hätte dieses
Phantasiegebilde im Buch „Damit es nicht verloren geht“
verhindert.
So möchte ich nun das Buch vorstellen, so wie es ist. Es ist
384 Seiten stark geworden. Wenn auch die Geschichte von
Bürmoos im Vergleich zu seinen Nachbarn kurz ist, Stoff für
weitere Seiten hätte es genug gegeben. Doch welches Buch ist
wirklich zu Ende geschrieben worden? Das Leben schreibt
weiter, auch in Bürmoos. Und so gesehen sind die vielen
Seiten auch nur ein Fragment aus dem reichen Leben der
Wirklichkeit und um diese haben wir uns, Kurt und ich,
ehrlich bemüht.
Ein Blick auf diesen Umschlag des Buches zeigt auf dem
Vorderumschlag eine alte Ansicht von Bürmoos. Dieses Bild
hat eine Geschichte. Als ich 1967 an meiner Dissertation
arbeitete, war ich oft in Bürmoos und unterhielt mich mit
den alten Bürmoosern. Meist trafen wir uns im Gasthaus
Pföss. Eines Tages brachte mir Alois Baier, die älteren
Bürmooser erinnern sich sicher noch an ihn, diese alte
Fotografie von der Glashütte. Es war eine echte Entdeckung
für mich, denn so eine frühe Aufnahme von Bürmoos hatte ich
noch nicht gesehen. Ich fotografierte sich, die Negative
habe ich heute noch. Für Karl Zillner machte ich davon eine
Fotomontage. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie er sich
darüber freute. Sie erhielt in seiner Gemeindekanzlei, die
damals schon in der Hauptschule war, einen Ehrenplatz.
Dieses Bild wurde seither auf vielen Veröffentlichungen
abgedruckt. Erst kürzlich erfuhr ich von Hermann Baier,
einem Neffen von Alois Baier, dass das Original nicht mehr
auffindbar ist.
Auf unsere Bitte hat von dieser
Fotografie Josef Sippl eine Bleistiftzeichnung angefertigt.
Er hat in meisterhafter Weise die Fotografie in ein
Kunstwerk umgesetzt. Ich darf dir zusammen mit Kurt, lieber
Josef, recht herzlich dafür danken. Wir hätten keinen
besseren Künstler für diese Aufgaben finden können. Auf der
Rückseite ist eine Luftaufnahme des jetzigen Bürmoos, die
Kurt
Winkler vom
Hubschrauber aus machte. Diese beiden Bilder umfassen mehr
als hundert Jahre Geschichte von Bürmoos. Mögen sie im Sinne
der eingangs erwähnten chinesischen Weisheit dem Leser einen
ersten und letzten tiefen Einblick in unser Bürmoos
vermitteln.
Z U R Ü C K
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