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Der Gockel


Annabell Brand

"Wer sich am besten präsentiert, am lautesten kräht und auf dem dicksten Mist steht, hat Recht, liegt im Trend und ist damit am schönsten."

Der Gockel. Jedes Dorf hat mindestens einen. Aufgeputzt mit buntem Kamm und glänzendem Gefieder stolzieren sie auf dem Misthaufen herum. Das Gefieder nach neuesten Trends gekämmt, suchen sie den erhöhten Platz, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen und die besten Hühner des Dorfes in ihren Bann zu schlagen. Dabei hilft ihnen auch ihr lautes Organ, zum Leidwesen vieler oft sehr sehr laut. Doch halt. Reden wir jetzt vom stolzen Hahn, dem Tier, das von keinem Bauernhof wegzudenken ist? Oder erinnert uns das nicht doch auch sehr an unsere eigene Umwelt? Ja, denn so ist es auch gemeint. Das Gehabe der Hähne ist nur all zuleicht verwechselbar mit dem Imponiergehabe der Männerwelt. Wobei man das - zugegebenermaßen - heutzutage nicht mehr nur auf die Männerwelt einschränken kann - aber da wir beim männlichen Federvieh anfgefangen haben, bleiben wir auch dabei.

Was hat es damit auf sich, das Aufputzen, das Aufspielen, das Beweisen - Mann/Hahn ist der Stärkste? Die Evolution lehrt, dass die holde Männlichkeit den Drang hat, sich möglichst oft, viel und großflächig fortzupflanzen, um damit für den Fortbestand der eigenen Gene zu sorgen. Quasi für die eigene Unsterblichkeit zu sorgen. So heißt es doch oft. Nun haben sich die Zeiten aber gewandelt, das mit der Fortpflanzung und möglichst weiten Streuung ist schon längst nicht mehr so wie früher. Ist da der Gockel im Dorf überhaupt noch notwendig? Muss dieses ständige "Ich-bin-der-Beste-Gehabe sein? Reicht es nicht, sich mit ein paar braven Junghähnen zufriedenzugeben, ein ruhiges Leben zu führen - ohne großes Tamtam und ohne viel Aufwand?

Ist das so? Wirklich, meine ich? Nein. Ich glaube nicht. Man mag von aufgeputzten Gockeln halten was man will, aber wäre es nicht sterbenslangweilig, wenn im Mittelpunkt niemand stünde? Keiner mehr mal laut krähen würde? Es nichts gäbe, worüber man tratschen kann? Niemand für Aufregung und Klatsch sorgen würde? Und sind wir ehrlich, auch zu jedem aufgeputzten Gockel gibt es die passende aufgeputze Henne. Was würden die ohne einen Abenteurer anfangen? Na eben. Es hat schon alles seinen Sinn im Leben. Auch wenn sich die Zeiten gewandelt haben, die Daseinsberechtigung des Gockels ist nach wie vor gegeben. Ob man sie mag oder nicht. Und sei es nur, um etwas zu haben, über das man sich aufregen kann.

Schließlich wissen schlaue Hühner: Kräht der Gockel auf dem Mist, ändert
sich was oder es bleibt wie es ist.

 

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