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Der Mitdenker
by KTraintinger


Die Treppe hinunter, vorbei am Lift mit den Glaswänden, an denen riesige schwarze Kakerlaken kleben. Vorbei an den blauen Sitzbänken aus Metall, weiter mit der Rolltreppe noch eine Ebene tiefer. Da steht er: der Zug von Salzburg nach Lamprechtshausen.

Ein schneller Blick auf die Anzeigetafel – es sind noch ein paar Minuten Zeit.

„Einsteigen bitte Knopf drücken“ steht mit Leuchtschrift auf der Anzeige über dem Druckknopf, der die Tür öffnet. Zwei Stufen hinauf, ein kurzer Blick durch den Waggon, dann schnell den geeigneten Sitzplatz angepeilt und nichts wie hin. Geschafft: guter Platz – die Sonne kommt von der anderen Seite. Nun beginnt das Warten, bis der Zug abfährt. Endlich kommen sie die Rolltreppe herunter: der Lokführer, der Schaffner. Der Schaffner geht zur Fahrplantafel, schließt eine kleine Klappe auf der schmalen Seite der Tafel auf, drückt einen Knopf, schließt wieder ab und steigt in den Zug. Jetzt drückt er einen Knopf über der Tür, die Tür schließt sich, und der Zug fährt ab.

Plötzlich kommt Bewegung in alle Fahrgäste. Zeitungen und Bücher werden zur Seite gelegt, Gespräche unterbrochen, Manteltaschen, Hosentaschen, Jackentaschen, Handtaschen werden durchsucht – „Die Fahrscheine bitte“.

Die Salzburger Lokalbahn fährt seit 16. Mai 1896 zwischen Salzburg und Lamprechtshausen Gebaut wurde die Strecke vor allem für den Gütertransport der damals im Raum Bürmoos/Lamprechtshausen angesiedelten Betriebe (Glasfabrik, Torfwerk, Ziegelei). So begann alles mit 2 Dampfloks, 10 Personenwagen, 18 Güterwagen, 2 Dienstwagen und 1 Postwagen. 31 Jahre später im Jahr 1927 wurde ein erstes Teilstück der Lokalbahn, und zwar von Salzburg bis Bergheim, elektrifiziert. Weltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg verzögerten den Weiterbau des elektrischen Betriebes um weitere 20 Jahre.

Ein kurzes Ding, Dong und eine vollklingende Frauenstimme ertönt aus dem Lautsprecher: „Nächste Haltestelle Hagenau“. Nun kommt Bewegung in einige Fahrgäste. Schnell zur Tür und den Knopf gedrückt, denn Hagenau ist eine jener Haltestellen, an der der Zug nicht automatisch hält. Rote Schilder an den Zugwänden erinnern die Fahrgäste: „Wollen Sie aussteigen? Bitte rechtzeitig Druckknopf betätigen“. „Wagen hält, Tür öffnet selbsttätig“ informiert die Leuchtanzeige an der Tür dann.

Mehr als 10.000 Personen benützen pro Tag die Salzburger Lokalbahn. Die Strecke zählt damit zu den wichtigsten öffentlichen Verkehrsverbindungen im Salzburger Flachgau. Die Lokalbahnstrecke dient jedoch nicht nur für den Personenverkehr, sondern auch zum Gütertransport. Zu vielen Gewerbebetrieben im Norden der Stadt Salzburg führen Anschlußgleise der Lokalbahn. Diese Betriebe haben dadurch für ihre Güterbeförderung eine direkte Anbindung an das Schienennetz der ÖBB.

Weiter geht’s. Rechts und links hügelige Landschaft, in die sich Bauernhäuser schmiegen, umgeben von Wiesen und Feldern, durch die die Bundesstraße Richtung Lamprechtshausen schneidet. Betäubender Gestank verrät allen, die es wissen wollen und auch denjenigen, die es nicht wissen wollen, dass ein Bauer gerade seine Felder frisch düngt. Bewegung kommt wieder in die Fahrgäste: Schnell die Fenster schließen, die mit unübersehbaren Aufklebern versehen sind: „Um Zugluft zu vermeiden, bleiben die Fenster dieser Wagenseite geschlossen“. Inzwischen ist der Lärmpegel der heimfahrenden Schüler derart angestiegen, daß alle im Waggon in den Genuß sämtlicher Details des Schultages kommen: „Des is a blede Tussi“ – „Die deppate Kua hat ma an Fleck gebn“ - „Endlich hab i a SMS von ihm kriagt!“ – „Und was hat er dann gsagt?“ –  „Naaa, der Typ is a Oarsch“ – „Wie kummst auf des, daß i mit dem Trottel was hab?“ ein wildes Durcheinander von gackernden Hühnern in engen Jeans und stimmbrüchigen Möchtegern-Draufgängern in Flatterhosen. Das Ganze untermalt von Handy-Gebimmel.

„Nächste Haltestelle Weitwörth-Nußdorf“ informiert die Frauenstimme. Der erste Schub Schüler ergießt sich aus dem Zug. Am Parkplatz, neben dem Reitstall St. Patrick, warten die Eltern mit den Autos um den hoffnungsvollen Nachwuchs abzuholen. Die Zugtüren schließen sich. Wieder geduldiges Warten – auf den Gegenzug. Die Lokalbahn ist eine eingleisige Strecke. Nur in Bergheim, Anthering und Weitwörth gabeln sich die Gleise und so muß an diesen Haltestellen der Gegenzug aus der anderen Richtung abgewartet werden. Ein kleines Mädchen, ungefähr fünf Jahre alt, zeigt auf die Pferde in der Koppel: „Schau Omi, da krabbeln die Pferde!“. Eine, zwei, drei Minuten vergehen – dann fährt der Gegenzug endlich ein. Ein paar Minuten Verspätung – wen stört das schon.

„Nächster Halt Oberndorf Bahnhof“ ertönt die Frauenstimme wieder. Allgemeine Hektik bricht aus. Kopfhörer werden eingepackt, Zeitungen und Bücher verstaut, Mäntel und Taschen zusammengesucht. Der Zug bleibt stehen. Die Türen öffnen sich und eine Traube von Schülern und Pendlern quillt aus dem Zug. Erleichterung macht sich unter den verbleibenden Fahrgästen breit: endlich mehr Platz und Ruhe. Die nunmehr freien Sitze werden sofort mit Handtaschen, Einkaufssackerln und Aktenkoffern belegt, die zuvor auf dem Schoß festgehalten wurden, die Beine werden ausgestreckt, jeder setzt sich bequemer hin.

Noch 10 Minuten. Der Schaffner geht entspannt durch den Waggon, scherzt mit den Fahrgästen, setzt sich kurz zu dem einen oder anderen – man kennt sich. Nächste Haltestelle Ziegelhaiden, dann Arnsdorf, Bürmoos – fast alle Leute steigen aus dem Zug. Nur noch vereinzelt sind Sitzplätze belegt. Noch eine Haltestelle – dann ist es geschafft: Lamprechtshausen. Die tägliche 35-minütige Zugfahrt ist wieder einmal überstanden.

Michaela Essler, Dorfzeitung
 

 

 

 



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Fotos: Karl Traintinger



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