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Reinhard Lackinger:
  
"Erntedankfest"

Reinhard Lackinger, Beislwirt Bis heute konnte mir keiner die Agrar-Subventionen erklären, sagen, woher das viele Geld kommt, das die europäischen und nordamerikanischen Bauern kriegen, damit sie mit ihrem Kukuruz, mit ihren Zuckerrüben und Sauren Gurken keine Verluste einfahren.

Ein Freund von mir, Armando Fagundes, wollte mir einen Text per E-Mail schicken, der mich, wie er sagte, aufklären würde. Dann ist er aber von einem Tag auf den anderen nach Dubai geflogen, wo er jetzt bestens bezahlt wird für seine Arbeit als Erdöl-Ingenieur... Wie ich ihn kenne, dürfte er nur noch seine API-Normen im Kopf und die Botschaft an mich vergessen haben.

Ein anderer Freund, ein Österreicher, der seit er in der Rente ist angeblich für Attac schreibt, ist mir auch noch immer einen Text über Agrar-Subventionen schuldig. So bin ich also nach wie vor unwissend und ignoriere die Quelle, aus der Gelder in mehr oder weniger defizitäre Bauernhöfe gepumpt wird.

Ich bin schon seit Jahren nicht mehr in Europa gewesen. An Ort und Stelle könnte ich vielleicht besser nachfragen, zwischendurch an einer Tankstelle für ein Erfrischungsgetränk, für ein Kracherl, eine Cola fünf bis acht Euro bezahlen...

Hier in Brasilien kennt unsereins Agrar - Subventionen nur vom Hörensagen wenn die Produktion von Körnern durch irgendwelche Geschehnisse negativ beeinflußt wird und die Ruralisten und Großgrundbesitzer die Regierung um Hilfe bittend unter Druck setzen...
Bei gutem Wetter und noch besseren Weltmarktpreisen, rührt sich keiner, macht keiner einen Mucks...

Hier in Brasilien kennt unsereins also Agrar-Subventionen nur aus den Zeitungen, aus den Fernsehnachrichten, die von den letzten gescheiterten Verhandlungen irgendeines Weltwirtschaftsgipfels in Doha und Umgebung erzählen. Die USA und Europa sollten angeblich, was gerechtere Handelsbedingungen betrifft, wieder einmal nachgeben... was sie dann doch nicht tun bzw. nie getan haben. Europa und USA verharren nach wie vor unnachgiebig in ihren alten Positionen, in ihren schutzzollsicheren Schützengräben. Es fällt ihnen nicht im Traum ein, die Agrar-Subventionen zu kürzen.

Gerade erhielt ich eine E-Mail von Amilcar Pedreira... aus den "Emirats". Amilcar ist Architekt und scheint glücklich zu sein mit seiner gutbezahlten Arbeit... in der neuen saudi-arabischen Umwelt. Seine Frau war hier in Salvador bei einem mittleren Unternehmen als Ernährungsfachkraft tätig. Heute wirkt sie in der Küche eines Sieben-Sterne-Hotels in Dubai... Vielleicht schält sie dort selbst nur die Kartoffeln... das in keiner Weise den Inhalt des dicken Lohnsackerls schmälert. Er und Sie Pedreira hatten einige der letzten Wochenenden auf den Malediven verbracht, wie ich aus der elektronischen Botschaft vernehme.

Währenddessen geht es bei meinen Erdäpfeln sparsamer zu. Neidische Gedanken  schieben die Schuld natürlich auf die  stratosphärischen Erdölpreise.  Die "Emirats" scheinen heute alle Fachleute und  Wissenschaftler aufzukaufen, wie es früher einmal die USA getan haben. 

Woher kam damals das Geld, um jene Zeche zu bezahlen? Von den Ländereien, die man den Indianern weggenommen hat? Woher kam das Vermögen, das die Renaissance kostete, die Industrialisierung Europas ermöglichte?

Die Augen in meinem neidisch-pampletarischen Schädel wähnen und erspähen neben jedem wirtschaftlichen Aufschwung einen "Teschek"... einen der schamlos ausgenützt wird.

Was denkt ein Mitteleuropäer beim Anblick pharaonischer, verschwenderisch anmutender Bauten von Dubai, während er seine Stromrechnung in der Hand hält, oder das "portemonnaie", wenn er gerade den Betrag für das getankte Benzin auf das dazu bestimmte Tellerchen bei der Kasse der Tankstelle in Kapfenberg legt? Wenn er genauso neidisch-pamphletarisch denkt wie ich, gibt er jemandem die Schuld für die hohen Energiepreise! Wem? Den Bauern aus der Dritten Welt natürlich! Noch nie waren die Agrar-commodities so teuer wie heutzutage!
Wenn der eben genannte Verbraucher nicht nur neidisch-pamphletarisch, sondern auch genauso oberflächlich denkt wie ich, wird er nicht zu unterscheiden wissen zwischen einem aus Zuckerrohr oder einem aus Kukuruz gewonnenen Ethanol. Unsinniger und nur ein bisserl dümmer als aus Kukuruz Sprit zu machen, wäre höchstens Whisky oder Grappa oder Obstler in den Tank zu schütten...

Während ich weiter an eventuelle Agrar -, und vielleicht Spirituosensubventionen denke, weiß ich momentan nur eines zu sagen:
Prost.

Salvador, Bahia, August 2008

Reinhard Lackinger, Dorfzeitung


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