Die unerhörten Töchter

Von Christine Schweinöster

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Silvia Kronberger, Salzburger Gemeinderätin und Soziologin, schrieb Buch: "Was heute die Bulemie ist, war früher die Hysterie"

Was heute die Krankheit Bulemie ist, war vor etwa 100 Jahren die Hysterie. Viele bürgerliche Frauen litten darunter, weil sie mit den herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen nicht zu Rande kamen. "Hysterische Frauen" fanden  Eingang in vielen literarischen Werken. Auf der Bühne wird von ihnen bis heute ein verhängnisvolles Bild gezeichnet. So wie es eine Männerwelt damals sah oder sehen wollte.   Kaum jemand fragte sich aber, was in der realen Welt zu der Krankheit führte. 

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Silvia Kronberger mit Elektra-Prospekt für Ostersymposion in Salzburg

Jetzt hat die Kultursoziologin und Salzburger Bürgerlisten-Gemeinderätin Silvia Kronberger dieses Thema aufgearbeitet und ein Buch verfasst: "Die unerhörten Töchter" wird demnächst im Studienverlag Innsbruck herausgegeben. Es zeigt, wie Frauen daran scheiterten, alle ihre ihnen zugewiesenen Rollen zu erfüllen und mit der Krankheit Hysterie etikettiert wurden. Die "Nachfolgekrankheit" in unserer Zeit sei die Bulemie, sagt Kronberger. Frauen, die unter dieser Ess-Störung litten, versuchten, heutige gesellschaftliche Ideale "bis zum Erbrechen" zu erfüllen, sprich etwa schlank, jung und sportlich zu sein. Grundlage ihres Werks ist ihre Dissertation, die sie vor einigen Jahren am Institut für Kultursoziologie  der Universität Salzburg verfasste.  Darin zeigt sie auf, welche Funktion die Krankheit Hysterie anno dazumal erfüllte. So litten viele Frauen unter ihrer Situation. Sie konnten keine Schulen besuchen und keiner Arbeit nachgehen, fühlten sich unterdrückt, wollten ihre Rollen aber "bis zum Wahnsinn" erfüllen. So wurden sie krank und von der Gesellschaft als hysterisch tituliert. - Dies war auch einfach für die Männerwelt, die jegliche Verantwortung von sich weisen konnte. Als Bühnenfrauen fanden sie Eingang in Opern. So die Elektra in der gleichnamigen Oper von Richard Strauss. Sie will sich in dieser Tragödie an ihrer Mutter rächen, weil diese gemeinsam mit ihrem Geliebten den Vater Elektras ermordet hat. Elektra wird vor Hass gegen die Mutter wahnsinnig. Sie bringt ihren Bruder Orest dazu, diese zu töten. In einem ekstatischen Tanz stirbt sie selbst. Ihr und weiteren fiktiven, psychisch leidenden Frauen aus der Opernwelt ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung anlässlich der Osterfestspiele in Salzburg gewidmet.  Das erste Symposion einer geplanten Reihe wurde von der Universität Salzburg, dem Mozarteum, den Osterfestspielen, der Internationalen Salzburg Association, der Leopold-Kohr-Akademie und den Kulturellen Sonderprojekten des Landes veranstaltet. Auch in den folgenden Jahren sollen dabei Frauengestalten behandelt werden.

 

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