Der Irrwurzensepp

Ein durch und durch österreichisches Märchen
vom Märchenerzähler Christian Ploier

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Wie der alte Erdl nach Plomberg ins Wirtshaus kommt liegt übern Mondsee der Nebel und in der Stube selber ist eine Hochzeitsgesellschaft. Die Braut ist schon bei ihm auf den Knien gesessen, da war sie noch ein Kind. „Komm zum Tisch Erdl und mach deinen Mund zum erzählen auf“, sagt der Hochzeiter und hat schon eine rote Birne vom Schnaps. Als der Erdl die feinen Speisen und das gute Trinken sieht hält er nicht zurück. „Ich werd‘ mir zuerst den Mund füllen und warten bis er leer wird. Wahrscheinlich brauch ich auch noch was zum Nachspülen.“ Aber danach hätt‘ er gar nicht erst fragen müssen. „Ich erzähl`euch was für einen Hallawachel die Braut zum Mann kriegt. Weil er erinnert mich an den Irrwurznsepp, den ich von Bad Goisern kenn‘.“

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Und jetzt begann der alte Erdl zu erzählen: „Dem Sepp zum Wohlsein trink‘ ich jetzt den Schnaps, weil der Sepp hat eine Reise gemacht, die passiert den Plombergern nur alle tausend Jahr einmal. Der Sepp war ein Bauer und Jäger und seine Frau hat ihm einen Rock wollen nähen für den Winter. „Du Sepp“, hat sie ihm gerufen. „Geh‘ ins Dorf um eine Schneiderkreide.“ Der Sepp ist gleich aufgesprungen, weil er da einen Umweg durchs Wirtshaus hätt‘ machen können. Wie er aber schon am halben Weg ins Dorf ist, steigt er auf eine Irrwurzn. Wie er über die Irrwurzn drüberstolpert wird ihm ganz schwindlig und als er sich wieder umblickt ist unten das Dorf verschwunden. Dafür ist aber ein großer reißender Fluß, den es in der ganzen Gegend nicht gibt, da. Neben dem Wirbelstrom stehn viele Ulmen und unter einer sitzt eine Zauberhexe. 

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„Du Sepp“, ruft sie ihn, „setzt dich zu mir. Ich bind‘ gerade einen Zauberfaden und du kannst mir helfen.“ Das Rabenvieh auf der Schulter der Hex‘ putzt sich´s Gefieder und der Sepp ist verwundert, daß eine Hex‘ ihn so gut kennt. Die Alte singt ein Zauberliedl und wirft den Zauberfaden über´s wilde Wasser. „Ich verschaff`dir einen Besuch, der dich freuen wird. Schau immer nur auf die Schnur.“ Dabei springt sie auf ihren Hexenbesen und ist vor dem Sepp seinen Augen in die Luft verschwunden.“

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„Unmöglich Erdl“, sagt der Wörndlbauer, „jetzt trag´nicht so dick auf, weil man dir sonst nicht glauben tut.“ „Wo du doch andauernd auf eine Irrwurzn steigst und in alle Wirtshäuser der Gegend verschwindest“, redet der Erdl zurück und dem Wörndl seine Frau verkuzzt sich vor Lachen.

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„Der Sepp starrt also auf den Zauberfaden und blickt hinüber auf das andere Ufer, das ganz im Nebel liegt. Da kommen auch schon zwei Gestalten herüber. Beim Näherkommen erkennt er sie. „Ja Vater und Mutter“, ruft er erschrocken, „ihr seid doch vor fünf Jahren gestorben.“ 

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„Tot schon“, sagt der Vater und die Mutter umarmt ihn. „Dort drüben ist die Totenwelt“, sagt sie und zeigt mit dem Finger ans andere Ufer. „Ich habe für dich einen Leblaib gebacken. Ein Lebensbrot. Du mußt nur ein Brösel einem Kranken in den Mund schieben und schon lacht er wieder und ist gesund.“ 

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„Wie ist euch drüben?“, will der Sepp wissen.

„Nicht viel anders“, sagt ihm der Vater. „Kalt ist es bis in die Knochen. Aber man hat schon sein Auskommen.“

Die Mutter schiebt ihm das Lebensbrot zu. Dann wird noch allerlei geredet, bevor sich die beiden wieder auf den Heimweg machen. Dem Sepp aber ist unheimlich. „Wo werd‘ ich da noch hingeraten“, ruft er als ihm ein kleines grünes Mandl beim Knie antippt.

„Weil ich deine Hilfe brauche“, sagt es, „aber brauchst auch nicht erschrecken“.

Und mit jedem Wort rutscht dem grünen Mandl ein dünner Wasserstrahl aus dem Mund und hinten nach springt ein kleiner Frosch. Dem Sepp wundert das jetzt schon.

„Du bist ein Wassermandl“, sagt er ein bisserl zaghaft.

„Meine Frau ist krank und ich bitt‘ dich um Hilfe“, sprudelt ihm das Wassermandl zurück.

Weil aber der Sepp ein guter Mensch ist sagt er ja.

„Grün und mit Blattln auf dem Kopf und einen Mund wie ein Frosch, aber Hände wie unsereins, nur grün alles“, murmelt er und geht dem Mandl hinten nach. Bei einem großen Teich nimmt ihn der Wassermann um den Bauch und langsam steigt er mit ihm runter auf den Grund.

„Wirst auch gar nicht naß“, verspricht er dem Sepp.

Unten am Grund steht ein Haus mit nur einem Raum und da ist ein Bett. Darin liegt aber die Wasserfrau. Ringsum stehen irdene Töpfe mit einem Deckel drauf.

„Was ist den da drinnen?“, fragt der Sepp.

„Die Seelen von den Ertrunkenen“, sagt ihm das Wassermandl.

Und die Frau stöhnt auf und ab vor Schmerzen. Der Sepp nimmt ein Brösel vom Lebensbrot und legt ihr`s unter die Zunge. Da lacht die Wasserfrau springt auf und hüpft mit dem Sepp gleich in der Hütte auf und ab. Der Wassermann klatscht sich vor Freude auf den Bauch.

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„Nicht weil er einen Hunger hat oder gar einen Durst -  weil der Hochzeiter vergißt mir ein Glas mit einem Wein der nicht sauer ist in die Hand zu geben“, sagt jetzt der alte Erdl und setzt gleich weiter.

Der Wassermann hat jetzt aus einem Topf ein goldenes Ei hervorgeholt und mit einem Dankeschön dem Sepp gegeben. „Jetzt zieh ich dich nach oben“, hat er noch gesprudelt und dann ist der Sepp ohne einen nassen Rock, aber mit einem goldenen Ei drinnen weiter gezogen.

„Wenn ich nur wüßte wo ich da hin geraten bin“, murmelt er und blickt sich herum und sieht einen großen Hund heran trotten.

„Du wirst müde und hungrig sein“, sagt das Riesenvieh.

„Jetzt reden bei deinen Geschichten schon die Hund“, ruft der Wirt selber.

„Ich habe mir gedacht du würdest wissen, daß in den alten Geschichten alles mögliche vorkommt von dem du nix wissen kannst. Aber der Wein ist wirklich nicht sauer“, redet der Erdl zurück.

„Richtig“, sagt der Sepp, „aber seit wann können Hunde reden“.

„Ich hab den Wirt von Plomberg reden gehört und da hab‘  ich gewußt das es nicht schwer sein muß, sonst wär der stumm.“

Jetzt aber lachen alle Hochzeitsgäste und der Wirt auch.

„Hör her. Da drüben ist ein Schloss und dahinter ist ein Gartl und darin ist ein kleiner Brunnen, der tragt ein Lebenswasser. Davon muss ich trinken, sonst tue ich es nicht mehr lange. Ich bitt` dich geh mir dieses Wasser holen.“

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Und der Sepp denkt eine Weile nach. Wie er ja sagt und sich schon auf den Weg zum Schloss macht, ruft ihm der Hund was nach: „Pass auf drinnen wohnt ein arg wilder Troll. Der reißt dir den Schädl ab und frißt dich. Du mußt ihm ein Wettspiel vorschlagen dann läßt er dich am Leben. Weil wetten tut er gerne. Und noch was. Der Troll ist so dumm, dass du jede Wette gewinnst.“ Das stimmt den Sepp jetzt doch nachdenklich. Aber das mit dem Wetten ist eine Sache die nicht schiefgehen kann. So geht er ins Schloss und gleich nach der ersten Tür kommt ihm ein Troll entgegen, der war häßlicher als alle Hochzeitsgäste zusammen und gestunken hat er, so wie der Bräutigam hier aus dem Mund. Er stürzt sich gleich auf den Sepp und brüllt wie ein Sturm: „Ah, einen Menschen habe ich ganze drei Wochen nicht erwischt. So ein Leckerbissen.“ Er will den Sepp packen doch der ruft: „Zuerst könnten wir noch ein Wettspiel machen.“ Da hält sich der Troll zurück. „Ein Wettspiel“ ,sagt er, „wetten tu‘ ich für mein Leben gern.“ So kommt es, dass er zwei große Kerzen auf einen Tisch stellt und brummt: „Wir spielen Lebenslicht ausblasen. Wer gewinnt kann den anderen fressen.“ Mit den krummen Fingern holt er sein blutrotes Auge aus der Augenhöhle und zündet seine Kerze an, die feuerrot lodert. Der Sepp sucht seine Streichhölzer und mit dem letzten macht er sich ein kleines Funzel an. „Ich komm‘ als erster“, grunzt der Troll. Er holt Luft und jetzt tobt ein Sturm los, dass die Schindeln vom Dach fliegen. Dem Sepp sein Lebenslicht flackert so wild, dass es sogar für einen Moment ausgeht. Dann flackert es wieder auf. „Jetzt bin ich dran“, sagt der Sepp. Mit dem Mund, denkt er, werde ich dem sein Licht nicht ausblasen. Und weil er das weiß dreht er sich um zieht seine Hose herunter und läßt so einen Wind heraus fahren, daß das Licht von dem Troll so gebeutelt wird, dass es ausgeht. Wie es halt richtige Bauernart ist. 

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Jetzt ist die Geschichte schnell erzählt. Der Troll ist tot. Der Sepp holt das Zauberwasser. Der Hund trinkt einen Tropfen und verwandelt sich in eine schöne Prinzessin, die gleich heim zu ihrem Prinzen will. Der Sepp geht weiter und steigt wieder auf eine Irrwurzn. Wie er aber auf der Irrwurzn steht, steht er direkt vor seinem Haus in Bad Goisern. Und vor der Haustür steht seine Frau. Sofort will sie wissen, wo er die ganzen drei Tage geblieben ist.

„Drei Tage“, ruft der Sepp erschrocken, „da muß ich auf eine Irrwurzn gestiegen sein.“

Und weil das alle sagen, die in den Wirtshäusern herumstolpern, hat sie ihm erst geglaubt, als er ihr das Lebbrot, das Goldei und das Zauberwasser gezeigt hat. Gleich hat sie einen Tropfen Zauberwasser genommen und ist davon in eine bildschöne Frau verwandelt worden. „Mann du bist ein echter Zauberdoktor“, hat sie voller Freude gerufen. So kommt es auch das in Bad Goisern die Frauen so schön und die Männer so gesund sind. Aber ich glaub‘, dass so ein Lebensbrot und ein Zauberwasser in Plomberg nichts helfen tät. Da müsste schon ein Kräutlein gegen die Dummheit her. 

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Wie`s auch immer gewesen sein mag, der alte Erdl hat seinen Rausch im Wirtshaus zu Plomberg ausschlafen dürfen und obendrein ist am anderen Tag noch lustig weitergefeiert worden

Fotos: Christian Ploier

 

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