Es läutet an Ihrer Tür. Sie öffnen und vor Ihnen steht ein Mann,
der mit Ihnen ein Gespräch über Kunst führen will und Sie bittet, ihm
ein altes Leintuch, Tischtuch oder Ähnliches mitzugeben. Er erklärt
Ihnen, daß er beides, Ihre Kunstmeinung und Ihr abgelegtes Tuch,
für eine
Kunstaktion braucht. Geht es hier wirklich um Kunst, welcher
Kunstbegriff steckt dahinter?
Anfang des 20. Jhdts. hat sich die Aufassung darüber, was Kunst ist bzw.
sein soll ständig gewandelt. Kunst will seither nicht mehr nur im
geschützten Raum einer Galerie gezeigt werden, sondern sich ins
Leben einmischen. Der o.ö. Kunsterzieher Günter Hartl, der ursprünglich
von der Malerei kommt, will über einen von ihm iniziierten
Kommunikationsvorgang Kunst ins Gespräch bringen. Er kann sich dabei auf
berühmte Künstler berufen die ebenfalls davon ausgingen, daß Kunst, um
wahrgenommen zu werden, unbedingt auf ein Gegenüber angewiesen ist.
Am intensivsten entsteht der Kontakt zu Kunst, wenn ich selbst darin
eingebunden bin. Und genau das will Günter Hartl mit seiner Besuchsaktion
erreichen. Tatsächlich hat er viele interessierte Partner für
seine "Einbindung der Kunst ins wirkliche Leben" gefunden. Die
geschenkten Tücher ordnet der Künstler zu einer den Fluss überspannenden
Wäschereihe und bei einem kleinen Fest bei der Kunststation zwischen
Laufen und Oberndorf am 28. Juli um 19 Uhr werden die Tücher unter der Brücke
hängend entrollt.
Diese Arbeit ist einerseits ein ästhetischer Eingriff in den öffentlichen
Raum: Bunte Tücher flattern unter einer Brücke und vermitteln den
Passanten ein "schönes Bild". Andererseits ist
der Künstler mit dieser Intervention in den öffentlichen Raum zeitgenössischen
Ansprüchen an die Kunst gerecht geworden. Diese findet ihre Vorbilder in
Aussagen von Künstlern wie Joseph Beuys, der sagte: "Mein
Begriff von Plastik" in unserem Fall die flatternden Tücher -
"bezog sich immer auf das Leben". hier die Kunstgespräche.
Beuys prägt in der Folge dann denn Begriff der "sozialen
Plastik". In diesen Begriff von allgemeiner Kreativität soll
Kunst sich auflösen. Mit diesem Beitrag des Künstlers Günter
Hartl und der in der Kunststation präsentierten
Kunstmeinungen setzt die Kunstiniative KNIE einen Schwerpunkt für die
Sommermonate, solange die Tücher flattern!
Ulrike Guggenberger |