Heinz STOCKINGER, 21.2.2000 |
|||
(hier privat, nicht als Sprecher der Plattform gegen Atomgefahren/PLAGE-Salzburg) |
|||
KOMMENTAR | |||
zurück | |||
Ob Kosovo, WTO, Faschismus: Sie kennen nur die Keule... Kontrapunkt zum Tenor in den eigenen Reihen In einem Leitartikel rechtfertigt J. Daniel,
Herausgeber der französischen Wochenzeitung Le Nouvel Observateur,
ähnlich wie Schröder, Joschka Fischer und weitere Politiker und
Intellektuelle das Vorgehen der EU-14 gegenüber Österreich unter der ÖVP-FPÖ-Regierung
(die ich nicht gewählt habe). Es sei "angebracht gewesen, eine
deutliche und geschlossene Warnung an die Verantwortlichen der österreichischen
Institutionen zu richten". Dem, und seinen auch von vielen anderen
bereits formulierten Begründungen, pflichte ich weitgehend bei. Die Formel ist jedoch dazu angetan zu verschleiern,
daß die gewählte Art der Warnung nicht die einzig mögliche oder vernünftige
war. Ich (und mir scheint die meisten Österreicher, nämlich der Großteil
der Nicht-Haider-Wähler) hätte völlig akzeptiert, wenn die EU-14
offiziell angekündigt hätten, daß im Fall von inhumanen,
fremdenfeindlichen, autoritären oder gar diktatorischen Maßnahmen der österreichischen
Regierung (zB Zensur, massive Kaltstellung von Abteilungsleitern und
kritischen Redakteure im ORF usw.) sofort die Sanktionen XYZ in Kraft
treten würden. Nun gab es zum Zeitpunkt der Isolationsentscheidung
und absehbar keinerlei Anzeichen zu solchen Akten über das hinaus, was es
an Vorurteilen bis Gewalttätigkeiten gegenüber Ausländern und
Minderheiten sowie an undemokratischen Mechanismen in jenen Demokratien
gibt, die nun über Österreich richten. Dennoch wäre eine solche Warnung
verständlich gewesen, v.a. angesichts des nationalsozialistischen Strangs
der österreichischen Geschichte und des zumindest zweideutigen Verhältnisses
Haiders und der FPÖ zu ihr. Und pragmatisch gesehen, wäre sie sogar wünschenswert
gewesen, um Haider und die FPÖ, aber auch die ÖVP in der Tolerierung
einer scharfmacherischen FPÖ, vorbeugend in Schranken zu weisen. Nun wurden aber nicht "Sanktionen für den
Fall, daß" angekündigt. Sondern gleich ergriffen. Und
das ohne irgendeine Möglichkeit vorheriger Anhörung und Verteidigung des
Angeklagten. Sogar ohne Recht auf "vorauseilende
Wiedergutmachung", wie man das Recht, durch seine Handlungen zu
beweisen, daß die Schuldvermutungen eventuell zu Unrecht erfolgten,
nennen könnte. Es wurde verfahren, als würde man einen Angeklagten ohne
Prozeß /a/ verurteilen und /b/ bestrafen. Von regierungskritischer Seite (SPÖ, Grüne,
zahlreiche Intellektuelle) diesen grundlegenden Unterschied nicht zu (an)zuerkennen,
betrachte ich als gravierende intellektuelle Unredlichkeit, oder
Nichtsehenwollen. Denn nicht nur ist die Vorgangsweise der EU-14
prinzipielles Unrecht; sondern es zieht auch weiteres praktisches Unrecht
(großteils pauschale bis aberwitzige Verurteilungen Österreichs und
schließlich handfeste wirtschaftliche Folgen) nach sich.* Fügt man dieser grundsätzlichen Fragwürdigkeit
einer solchen Auffassung von Recht und zwischenstaatlichen Beziehungen die
Fragwürdigkeit der Wirksamkeit (Wird der angestrebte Zweck
erreicht?) hinzu, kommt eine kaum zu überbietende Leichtfertigkeit des
ganzen Unternehmens heraus: Haider ist von der österreichischen Bühne
auf die europäische, ja auf die Weltbühne gehoben worden! Sein
Konterfei auf den weltweiten Covers von Time und Newsweek
senkt sich in das Bewußtsein von Abermillionen. Mehr noch: nichts mehr
kann diese Publizität ungeschehen machen. Dies ist der Haupterfolg - und
meine Hauptkritik. Die Politisierung breiterer Teile der österreichischen
Bevölkerung im Sinne von Auseinandersetzung mit der Gesellschaft würde
ich dem ganzen als Plus abgewinnen können, wäre da nicht eine ebenfalls
leichtfertige, weil undifferenzierte und eher feindbildfördernde
Polarisierung - zumal in das weitgehend sterile Links-Rechts-Schema. Dabei
geht bei vielen auch fast unter, daß die SPÖ im selben Zug versucht, in
atemberaubender Geschwindigkeit, über Nacht, ihre Jungfräulichkeit
wiederzuerlangen. Wenn endlich die unumwundene Auseinandersetzung mit Österreichs
brauner Vergangenheit und ihrem verästelten Erbe sowie mit Faschismus in
modernen Gewändern - z.T. auch in anderen Gruppierungen und Schichten als
der FPÖ - einsetzte, hätte dieser "Ausnahmezustand" dennoch
sein Gutes. Aber eben, dazu bräuchte es: Differenzierung, keine Tabus,
keinen billigen Konformismus (auch im jeweils eigenen "Lager"),
nachhaltige Anstrengung statt rasches Picken von Etiketten auf die, die
nicht hundertprozentig gleich denken und empfinden.** (hier privat, nicht als Sprecher der Plattform gegen
Atomgefahren/PLAGE-Salzburg) ____________ *Dazu
kommt: sobald die Staatsspitzen in Paris, Brüssel, Berlin usw. ihren
"Bann" gegenüber Österreich unter Schwarz-Blau aussprachen,
schien in den meisten regierungskritischen Oppositionellen wie
weggeblasen, für wie unglaubwürdig sie einen Chirac, Schröder,
teilweise sogar Joschka Fischer sowie die "Mainstream"-Medien
normalerweise halten. Vergessen schien, daß diese etwa den
NATO-Kriegseinsatz am Balkan und die schranken-lose weltweite
Deregulierung durch die WTO mitverantworten, einschl. der so lange wie möglich
unter völligem Ausschluß der Bürger ihrer Staaten geführten
MAI-Geheimverhandlungen - Unternehmen, an denen man durch-aus faschistoide
bzw. faschismusfördernde Züge von globaler Tragweite diagnostizieren
kann. Oder was stimmt nun, frage ich mich jedenfalls bei vehementen
EU-Kritikern: Die EU – "Festung Europa"? Oder doch eher glaubwürdig
als Verteidigerin der Menschenrechte? Die EU – postimperialistischer
"europäischer Nationalismus"? Oder doch eher glaubwürdig als
Motor von mehr Gerechtigkeit, sinnvoller Umverteilung im Innern sowie auf
globaler Ebene, und auf dem Weg nicht zu einer Rüstungs-, sondern zu
einer Abrüstungsmacht? Und Chirac und die gesamte jetzt so konsequent in
Aktion getretene Führungselite der EU als die glaubwürdigen Verkörperungen
und Garanten solch insgesamt positiver Tendenzen? Wer nun aber solch positive Einschätzung des
politischen Systems der EU und seiner Repräsentanten entrüstet von sich
weisen sollte, den frage ich: Wie kann man sie dann in der Causa
Austria auf einmal für so glaubwürdig halten? ** Zur
"Polit-Psychologie/Pädagogik": So wie’s jetzt läuft,
sind die "Haiderianer" in der Bevölkerung derzeit stumm. Nur
die Wortführer in der FPÖ und vermutlich in Postillen "rechts von
der FPÖ" rühren sich in der Öffentlichkeit. Die Leute dieses
Viertels der Bevölkerung kriegen wieder einmal nach allen Regeln der
Kunst vorgeführt, welche politischen und moralischen Underdogs sie sind.
Eh schon i.a. nicht sonderlich geneigt oder geübt, sich öffentlich
argumentativ, geduldig zu artikulieren sondern eher am Stammtisch und in
der Sauna Gleichgesinnter, trauen sie sich jetzt erst recht nicht heraus. Die GRÜNEN und die SPÖ können’s zufrieden sein
– sie haben wieder Zulauf. Können Sie? Wird der Zulauf halten? Ich
frage mich, insbesondere wenn ich auf der Straße die Gesichter mancher
Jugendlicher sehe: Was ist zumal bei jungen Haider/FP-Sympathisanten mit
der derzeitigen Art der Auseinandersetzung und Politisierung gewonnen, verändert?
Gewiß, ein paar werden nicht mehr so leicht Sympathie für H/FP
affichieren, vielleicht sogar vorübergehend überwechseln, weil sie
merken, daß sie jetzt nicht mehr auf der "coolen" Seite sind.
Das Gros behält seine Meinung und hält, außer unter sich, den Mund.
Aber haben sie etwas eingesehen?! Eher dürften im selben Maß,
in dem man sie jetzt von überallher einfach als "das Letzte"
zuschüttet, die Ressentiments in ihrem Innern wachsen. Gegenüber
"den andern" innerhalb wie außerhalb Österreichs. Gegenüber
der EU natürlich besonders. Gute Nacht, wenn die Wortführer wieder
Oberwasser kriegen sollten, weil die Verhinderungsaktion – wieder einmal
– fehlschlägt: die Meute hinter ihnen wird nicht geringer geworden
sein! Die EU-14 und viele im Gefolge wollen am unreifen Schüler
"Lernen durch Zwang" statt "Lernen durch Einsicht"
praktizieren. Letzteres wäre beim harten Kern Unbelehrbarer tatsächlich
politisch wie psychologisch blauäugig. Doch Lernen durch Einsicht wäre
die einzige Art und Weise, wie die für mehr Menschlichkeit, für
Demokratievertrauen immerhin Zugänglichen dauerhaft gewonnen werden können.
Die Keule aber treibt sie, die durch oberflächlich plausible Argumente,
durch billige Feindbilder, durch billige Versprechen, durch
"cooles" Auftreten Verführten zu noch stärkerer Identifikation
mit dem Idol, mit dem "Lager". Bloß, die Keule (der Bannstrahl,
das Alles-oder-Nichts-Urteil "Ihr seid Haiders, ihr seid des Bösen!")
enthebt ja, von Chirac bis Gusenbauer und fast auch schon bis (J.) Fischer
sowie zahllose "Nachgeordnete", so fantastisch der Einsicht in
eigenes Versagen, in die eigene Mit"schuld" an den Verhältnissen... |
|||
A:
Present situation as an Austrian no-nukes group: 1.
Under the former government: Real
corner-stones of a consistent official antinuclear policy by the Austrian
government had been laid as a result of years of NGO work: In particular,
the new July 1998 Nuclear Liability Law; the July 1999 Law for a
Nuclear-Free Austria (as a part of the Constitution); and the July 1999
Antinuclear Government Action Plan (i.e. the practical policy guidelines
& steps to be followed on the basis of the two laws and of several
important all-party parliamentary resolutions). This provided the Austrian
(SPÖ-ÖVP) government with a sufficiently sound, coherent argumentation
to take a firm position on nuclear issues during the preparatory talks to
the Dec. 1999 Helsinki summit on EU enlargement and during the summit
itself. However,
right after the 1999 Law and Plan had been endorsed by Parliament and the
Government, members of the latter started saying extremely different
things: one day it wasthe Chancellor conceding there would be "certainly
no veto to starting EU enlargement negociations with Czechia, Slovakia,
Lithuania, Bulgaria if they fail to declare that they will comply with NPP
closure dates they formerly promised"; next day it was "Austria
does maintain the option of vetoing..." by the Consumers and
Nuclear Affairs Minister, of the same coalition party as the Chancellor;
and maybe a minister from the other of the two parties saying more or less
the contrary; then one official would say one thing in Vienna, while
another would say a different thing in Brussels; senior officials were
reported to make concessions behind the EU scenes that their ministers, at
least officially, hadn't endorsed or allowed. You imagine the mess. For
once, other EU ministers didn't just wonder the discreet way diplomats
usually do; rather, some of their statements showed they were frankly
amazed at this Austrian slalom off the white slopes.
That
was the situation BEFORE we had a new government. With
the NEW government, the situation has worsened to nearly
hopeless as far as international antinuclear activities are concerned.
Since with no nuclear power or weapons right here almost all our
activities are necessarily international, you easily imagine the paralysis. 2.
Under the present government: a.
WITHOUT
the present isolation, our situation probably would not have become that
hopeless under the new coalition - just probably no brighter than before:
In the old government, the ÖVP had repeatedly tried to put a brake on a
more determined no-nukes policy, so even less was to be expected from them
under the new constellation. The FPÖ had mostly been strongly antinuclear
in Parliament and in the regional diets & governments. Mr Haider, as
governor of the Region of Carinthia, did quite a convincing job according
to the Carinthian no-nukes group within AAI. (And their main
representative at AAI meetings is a long-time peace activist, in his
deeply non-violent approach toward politics and life as a whole, he is the
very contrary of what Haider stands for. Their rather positive experience
with Haider on nuclear issues, however, has been rather short.) As
for myself, I keep remembering what almost nobody remembers about Mr.
Haider: Back in 1983-84, when Liberals were still a force within the FPÖ
and Mr Steger was the head of the party and vice-chancellor in the then SPÖ-FPÖ
federal government, Mr. Haider demanded a remake of the 1978
Zwentendorf referendum, while
Vice-Chancellor Steger and the few active antinuclear activists left after
the big referendum movement desperately struggled to keep the floodgates
tight against such another referendum. Joining the chorus (SPÖ, large ÖVP
portions: industrialists, the big ÖGB workers' union) for a second
referendum clearly meant at that time to play the game of the pronuclear
people who had been calling for just that ever since november 1978 (knowing
full well that they would not be taken off guard once again and would very
likely win and topple over the first referendum and the 1978 Nuclear
Energy Prohibition Act thanks to their overwhelming financial resources). That
is a very early example of Mr Haider's populist, or opportunist, character,
licking the heels of the industry at a time when Austrians as a whole -
this was before Chernobyl and after tremendous conditioning by those very
industrials (mostly ÖVP/FPÖ) plus the SPÖ as the main government party
- were highly unsure whether their narrow "no" to Zwentendorf
NPP in 1978 had been the right decision. - Let
me add at once another significant position of Mr Haider's in the nuclear
field: Several years ago, Haider already pushed for Austria to join the
NATO. In this context he said one day: Austria must be ready to
station NATO nuclear arms. While most of his voters and admirers
do know that H. has been in favour of Austria joining the NATO, I bet
almost all of them - and Austrians in general - ignore what he has said on
Austria & NATO nuclear warheads on our territory! So
you see that, judging from past experience, positive and negative points
as to FPÖ participation in the new government give a mixed picture. Their
populist stance would probably have prevailed, with little practical
efficiency, especially on the international scene. The
central question in this isolation matter is: Is the isolation
justified? My answer is: It is definitely not. This
gets us to B:
The present situation as a whole: a.
I share the view of one of the most virulent and most consistent critics
of Mr Haider, that of J. Voggenhuber, a nationwide known Green MEP (and
from Salzburg, by the way): Haider is not a (neo) nazi. But he is a
right-wing populist, a fascist appealing to the lowest instincts in the
electorate. You
know, I believe things would have evolved rather simply without this
breath-taking intervention by the EU-14, and by a large portion of the
world media: Haider/FPÖ
have a larger part of voters than other parties that are impatient, highly
demanding on politicians and little on themselves in terms of solving
problems. Confronted with reality, ÖVP-FPÖ policy would rapidly have
given real reasons for the population and many of the Haider/FPÖ voters
to be dissatisfied. In the next elections, the FPÖ would have lost a
considerable number of those voters, and Haider could have been
sized down to normal. And the Social-Democrats could have
renovated themselves on the opposition bench, could have walked back to
some of their roots and to some modesty and simplicity again. The Greens,
who are gaining now, would have gained just as well in this process. A
small illustration of this did happen right in the present turmoil. The
event is too small-scale and too specific to allow definite conclusions as
to national politics. But national implications seem highly likely to me,
and were put forward by the regional radio station's commentator (no
friend of Haider's by the way, and if he were he would rather have
belittled the FPÖ defeat and conclusions from it). The event I am talking about is the Regional Farmers Chamber
election some ten days ago. Among the farmers, the FPÖ had made gains in
past elections that sometimes were even above the general FPÖ increase.
The ÖVP/Chr. Democrats had started dwindling, losing to the FPÖ. Now,
very unexpectedly until up to the end of January, the ÖVP literally
soared up again (by some 10%). The "Freedom" Party went down by
more than 7%, while they had expected another increase. The election took
place on the Sunday that followed the Friday when the new government for
the first time presented its government plans (with tax increases they
refused to call by their name since both ÖVP and FPÖ had promised before
the elections they would not increase taxes;with cuts in medical insurance
allocations; with Haider at once resorting to the same abhorred political
jargon as the "old" politicians, embarrassedly speaking of
"adjustments" instead of tax increases, etc.): i.e. "punishment"
by former FPÖ voters in this farmers' election came "by return
of post". A good and likely model for our next nationwide elections! |
|||
to the top | |||