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Reinhard Lackinger:
"Freut Euch,
wir haben gesiegt ..."
Das
soll der Bote geschrieen haben, als er die Botschaft vom Sieg gegen die
Perser bei der Schlacht von Marathon per pedes und laufend nach
Athen getragen hat, und danach tot zusammengebrochen ist. Später kam dann
einer auf die Idee, diesen Lauf zu verewigen, in die bedeutsamste
olympische Disziplin zu verwandeln.
Wenn wir nämlich unter den anderen sportlichen Disziplinen nach Bedeutung
suchen ... womöglich zwischen Fragmenten und Bruchteilen von Sekunden in
der Leichtathletik, im Schwimmen ... Zentimetern beim Springen und
Punktedezimalen von mehr als subjektiven Bewertungen bei Gymnastik und
akrobatisch von Trampolin und Turm ins Wasser "plumpsen" ... finden
wir nicht mehr und nicht weniger als die üblichen Banalitäten, denen die
Menschheit heute nachläuft.
Während die Olympische Fackel rund um den Globus geschleust wird, wie ein
gefährlicher Verbrecher auf dem Weg vom Gerichtshof ins Zuchthaus, wackeln
meine Gedanken in Richtung Tibet ...
Vor meinen Augen hüpfen Bilder, die die gerodete Wälder Tibets, sowie den
Atommüll auf Straßen und Plätzen Lhasas zeigen, hämmern in meinem Hirn
Informationen vom Raub des aus tibetanischen Minen stammendem Goldes und
Silbers, nach Beijing gekarrt, teilweise zu Olympischen Medaillen
verarbeitet... Ich höre von der chinesischen Unterwanderung
tibetanischer Kultur und bin traurig, weil der Mensch noch immer keine
andere Möglichkeit kennt und gelernt hat, mit seinem Nächsten zu
verkehren, als diesen zu unterwerfen oder totzuschlagen... Er findet
einfach nicht aus der Rolle Kains heraus.
In meinem Herzen ist aber nicht nur Trauer und Zorn, sondern auch Neid.
Wie viele Situationen, wie der Wirbel jetzt vor den Olympischen Spielen in
Beijing um Tibet und die in China feierlichst ignorierten Menschenrechte
gab es nicht schon vorher, ohne weltweite Stellungnahme, ohne daß jemand
demonstrierte und Druck auf die Mißachter der Menschenrechte und andere
Ungerechtigkeiten ausübte? Wie viele Situationen wie die, die grausame
Situation in Tibet belangen, laufen gerade jetzt und heute über die
Bühne... in Palästina, im Tschad, in Kenia, und weiß der Kuckuck wo
noch...
Was hat die Menschheit gesagt, damals in Armenien? Gestern in Südtirol? Am
Balkan, unlängst...
Über das Indio-Holocaust regt sich keiner auf! Was im 16. Jahrhundert mit
den Ureinwohnern Amerikas unter Vatikans Schutz und Schirm geschah... ist
ja schon so lange her und gar nicht mehr wahr, "netwahr"? Mehr als 120
Millionen Menschen sind gemeuchelt und "abgemurkst" worden, starben wie
Fliegen, als sie unter schlimmsten Bedingungen tonnenweise Gold, Silber
und Edelsteine aus ihren eigenen Minen schürfen mußten. Ein Vermögen
zwanzigmal größer als die Auslandsschulden aller armen Drittweltländer
zusammen. Schätze, die die Renaissance und die Industrialisierung Europas
finanzierte.
Was
sagen die Geschichtelehrer zum Schlamassel, das die Kolonialmächte
hauptsächlich in Afrika angestellt, von den Untaten die vor allem
Engländer und Franzosen in afrikanischen Ländern verbrochen haben, von
Staatsgrenzen, die aus krimineller Ignoranz entstanden sind ... auf diese
Weise Familien auseinander gerissen und Erzfeinde in Ghettos
zusammengepfercht haben? Vorgestern und vor nicht allzu langer Zeit ...
und nur wenige Jahre vor Hitlerdeutschland und dem einzig offiziell
anerkannten Holocaust, der alle zuvor und danach begangenen Missetaten und
kollektiven Meuchelmorde entschuldigt und sauber gewaschen zu haben
scheint!
Ich gestehe aufrichtig, die Lobby mächtiger Nationen zu beneiden und ärgere
mich, weil ich nach wie vor den Schwarzen Peter nicht los werde, der an
mir haftet wie ein ewig ätzender Ausschlag, eine kapitale
Erbsünde ... während andere eine immerwährende Schonzeit genießen dürfen...
Welche Mittel hat die Menschheit, die vom Chinesischen Staat begangenen
Ungerechtigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte zu verhindern?
Wie wäre es mit einer US-Initiative aus politischen Sanktionen und vor
allem mit wirtschaftlichen Blockaden... Etwa so...: ab morgen kauft keiner
mehr chinesische Waren, liefert und exportiert keiner mehr Lebensmittel
nach China... Na ja, wenn das schon mit Kuba nicht so recht funktioniert
hat...
Außerdem wäre dies aus anderem Grund nicht klug und ratsam. Es würde für
alle Welt klar und deutlich gemacht, was einige von uns bereits wissen:
die schwindende Macht der USA und der Aufstieg ehemaliger Kolonialländer
wie China, Indien und Brasilien.
An den Ohren meiner Phantasie werden Beschwichtigungen und Erklärungen
laut, die Chinesen würden aus gutem Grund noch keine
Menschenrechtserklärung haben. Erstens muß diese auf neuchinesisch und
andere 7 bis 11 in China übliche Sprachen übersetzt, zweitens, ihrer
extremen Wichtigkeit halber, Hanzi um Hanzi, Schriftzeichen um
Schriftzeichen mit Pinsel und Tusche auf Pergament gezeichnet werden. Erst
wenn jeder Chinese sein von Hand kopiertes Exemplar der Internationalen
Menschenrechtskonventionen besitzt, werden in China und auch in Tibet die
Menschenrechte respektiert werden können... ...aber dann eben um so besser und
verläßlicher.
Derweil sieht jeder zu, daß er noch vor den Olympischen Spielen in
Beijing/China seinen neuen LCD-Fernseher unter Dach und Fach und ins
Wohnzimmer kriegt.
Ich würde gerne lieber mehr von den Olympischen Spielen sehen, die unter Indios und Athleten aus den verschiedensten Nationen der brasilianischen
Ureinwohner ausgetragen werden. Da kriegt das Bogenschießen noch ein
besonderes Ingrendient dazu, denn der Schütze ist zugleich auch der
Verfertiger von Pfeil und Bogen. Ebenso das Werfen des "tacape", der
Kriegskeule... und anstatt der einheitlichen Hürden auf säuberst gefegter
Piste trägt bei den Wettläufen im Amazonasgebiet jeder Teilnehmer einen
etwa 50kg schweren Baumstamm über eine mehr oder weniger ebene
Lehmstrasse.
Während die Olympischen Spiele genau nach Programm ausgetragen, die
Stimmen rund um Tibet verstummt sein werden, lodert in Brasilien weiterhin
der Krieg zwischen Indios, illegalen Goldgräbern, Drogendealern,
Holzfällern und ebenso kriminellen Besitzern von illegalen Sägewerken,
anderen Spitzbuben, die die Abwesenheit der Ordnungsmacht im weiten
Amazonasgebiet nützen, um alle Art Unfug wie Kinderprostitution zu treiben
und Landlosen. Auf der Seite der Ordnung und der gewissenhaften Bestellung
und Nutzung des Regenwaldes stehen Missionare wie unser Landsmann, der
Vorarlberger Bischof von Altamira, Bundesstaat Par� Dom Erwin Kräutler.
Wir tun gut daran, ihn und seine Mitarbeiter in unsere Gebete
einzuschließen, denn der Kampf um den Regenwald, dem bereits viele Laien
und auch Geistliche zum Opfer gefallen sind ist mindestens genauso blutig
wie die Schlacht der Griechen gegen die Perser bei Marathon.
Wenn Dom Erwin das nächste Mal im brasilianischen Fernsehen erscheint und
ehe er heil nach Altamira zurückkehrt, möchte ich hören wie er sagt:
"Freut Euch, wir haben gesiegt"!
Salvador, Bahia, 20. April 2008
Reinhard Lackinger,
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