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Internationalsozialistisch ...
ma non troppo

Reinhard Lackinger, Beislwirt Als Entwicklungshelfer unterrichtete ich zu Beginn der 70er Jahre im nordostbrasilianischen Hinterland eine Gruppe von Schülern im Alter zwischen 16 und 32 Jahren. Einige drückten zuvor die Schulbank bis in die 2. Klasse Gymnasium, andere wiederum hatten nur wenige Monate eine Grundschule besucht. José Ramos, der schwächste von allen, gehörte einer Dynastie von Analphabeten an, die bis Adam und Eva zurückreichte...

So stelle ich mir heute noch die Schwierigkeiten der Lehrerinnen in den einklassigen Volkschulen vor... wie wir sie von Stelzhamer oder Rosegger her kennen. Lehrerinnen und Lehrer dürften sich homogenere Gruppen wünschen. Das Unterrichtsministerium scheint das beste anzupeilen.

Staatsmänner, Wirtschaftsexperten und Aktionäre großer corporations dürften sich nach bestimmten Gesichtspunkten aufgeteilte Kontinente wünschen. Die Weltmacht tut ihr bestes, schickt neue Truppen, um die Weltordnung aufrecht zu halten.

Gegenüber der Lehrwerkstätte meines ehemaligen Einsatzortes im brasilianischen Bundesstaat Bahia gab es einen curral!
An ihn und an die zur Impfung und Kastrierung getriebenen und zusammengepferchten Ochsen muß ich denken, wenn ich mittags die Fernsehnachrichten verfolge.

Wo leben die Nachfahren der Romanfiguren aus den alten, im vorvergangenen Jahrhundert verfaßten Abenteuerbücher, die wir noch nach dem Krieg verschlangen? Wo stecken die Skipetaren, die Apachen, die Sioux, die Yorubás, Basken, Sorben, Roma, Sinti, Armenier? Entweder sie sind transvestiert, als x-beliebige Bürger heute existierender Staaten verkleidet, oder tot. Ebenso die Kuruzzen.
Von den Kuruzzen spricht heute keiner mehr. Höchstens ein älterer Jahrgang, wenn er flucht: "Kruzitürken!"
Derweil fahren die Türken "Durchs wilde Kurdistan"... auf beiden Seiten einer "immaginären" Grenze.

Für transnationales, alles Weltgeschehen bestimmende Kapital gibt es längst keine Grenzen mehr. Staatsgrenzen scheinen nur noch Bemühungen zu dienen, eine mehr oder weniger ungerechte Verteilung von Lebensmitteln und anderen Konsumgütern zu ermöglichen und zu garantieren.

So gesehen, schaut das Erdenvolk noch weit heterogener aus als meine ehemalige Lehrlingsklasse. Auf der einen Seite, also in Mitteleuropa und Nordamerika gut ernährte und übermütige Hoch - und Mittelschüler, an der Peripherie magenknurrende Tafelklassler. Von den Sonderschülern aus Afrika, Lateinamerika und Asien ganz zu schweigen...

Miguel, Zé Ramos´Sohn lebt seit Jahren in Deutschland. Er, seine und Irmtrauds Kinder Karin und Michael waren vor kurzem auf Besuch in Bahia  . Die Kleinen sprechen portugiesisch, deutsch und englisch... und wenn ich mich nicht irre, spielen sie auch Klavier...

Der Nachrichtensprecher sagt gerade etwas über steigende Milchpreise. Das geht mich aber nichts an. Berührt mich nicht... so lange ich meinen Camembert habe. Heiß, mit Preiselbeeren.


Salvador, 5. November 2007

Reinhard Lackinger, Dorfzeitung


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