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22. Oktober 2005
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S T A R T  | F E U I L L E T O N |
A R C H I V

Zeitzuender

Alle sind gleich 

Am Sonntag, 28. August 2005, ordnete Ray Nagin, Bürgermeister von New Orleans die Zwangsevakuierung der 500000 Einwohner dieser Stadt an. Der Hurrikan „Katrina“ bedrohte sie; Dämme könnten brechen. Zehntausende flohen nach Norden, alle Spuren dieser Autobahnen wurden für sie freigegeben. Doch 100000 Menschen mussten zurückbleiben – sie hatten keine Möglichkeit zu fliehen. Sie hatten keine Möglichkeit, weil sie kein Geld hatten.

Doch der Wirbelsturm kam nicht plötzlich. Vor 40 Jahren setzte „Betsy“ fast die Hälfte von New Orleans unter Wasser. Der Leiter des Hurrikan – Zentrums in Miami arbeitet seit 33 Jahren dort und seit dieser Zeit machte er sich um diese eine Stadt Sorgen. Man war also vorbereitet.

Die arme, meist schwarze Bevölkerung und kranke Menschen wurden „zur Sicherheit“ kurz vor und während des Sturms in das Fußballstadion Superdome gebracht. Doch das Dach hielt nicht Stand und Regen drang ein. Dabei hatten die Kranken noch Glück! Als Trinkwasser, Nahrung und Strom knapp wurden, „erbarmten“ sich Ärzte so mancher Patienten und „erlösten“ sie lieber gleich endgültig von ihrem Leid. Die anvertrauten Patienten hätten den Ärzten vielleicht zu viel Trinkwasser weggenommen. Euthanasie pur – aber nur zum Hausgebrauch. Es gab kein funktionierendes Telefonnetz mehr. Nachdem zuerst ja sogar der amerikanische Präsident so lange zu den Opfern des Hurrikans schwieg, konnte es nicht so schlimm sein.

80 Prozent der Stadt sind nun unter Wasser, es wird Monate dauern, bis die meisten Menschen wieder zurückkommen können. Von dieser Glücksnachricht sind hauptsächlich Weiße betroffen, denn die Viertel, die unter dem Meeresspiegel lagen, waren billig und von Schwarzen bewohnt. Sie sind ohne Wohnung, ohne Hoffnung und ihnen hilft kein Mensch, nicht einmal der eigene Präsident. Schließlich war letzterer auf Urlaub. Da ist es egal, wenn ein Teil seines Volkes stirbt, verzweifelt ist und ihn brauchen würde.

Die Amerikaner hätten genug Zeit gehabt, sich auf solche Situationen vorzubereiten. Doch andere Dinge wie „Bedrohungen von außen“, also Kriege im Ausland, waren wichtiger. In Ländern, von denen die meisten Amerikaner nicht einmal wissen, wo sie überhaupt sind. Nun stehen sie mit dem Tropensturm „Wilma“ vor einer neuen Evakuierung. Menschen, die gerade dabei sind, ihr übriggebliebenes Hab und Gut zu suchen und wieder aufzubauen, müssen wieder flüchten.

Doch das Beste am Schluss: Seriöse amerikanische Wissenschaftler, die sich mit der globalen Klimaerwärmung beschäftigen, werden im Interesse der US – Öl – Lobby angegriffen. Die Einen versuchen die Menschen vor solchen Katastrophen wie Wirbelstürme und Überschwemmungen zu bewahren; den Anderen ist das egal, Hauptsache, sie verdienen gut und dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Auch, dass Menschen dadurch (indirekt) sterben.

Es geht zu, wie bei George Orwells Roman „Farm der Tiere“. Zuerst gibt es verschiedene Gebote, eines davon lautet „Alle Tiere sind gleich“. Doch gegen Ende übernehmen die Schweine (!) die Macht, haben Privilegien gegenüber den anderen Tieren und es gibt nur mehr ein einziges Gebot: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.“

22. 10. 2005 

Maria Schweiger, Dorfzeitung

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