Zur Weltpolitik ...
Die
EU-Erweiterung
und die US-Folterknechte im Irak
aus
der Sicht unseres Beislwirtes
in Salvador, Bahia, Brasilien
Worte und
Berichte, die mich in Salvador, Bahia, Brasilien per Internet erreichen.
Fotos, die ich aus österreichischen Tageszeitungen oder aus der Al Jazeera
klaube... spät und weit nach Mitternacht und Sperrstunde. Nachdem wir auf
PKW-unfreundlichen, nicht selten von Kadavern übersäten Straßen und
Gässchen unsere Mitarbeiterinnen in ihre unwegsame Favela nach Hause
gebracht haben... und mit Hilfe unseres Schutz-Engels heil und unbehelligt
heimkehren.
Was soll ich
glauben, was soll ich denken?
Eigentlich
müsste ich mich, was die US-Untaten im Irak betrifft, entrüsten. Es fällt
mir aber schwer, denn in meiner unmittelbaren Umwelt fallen weit mehr
Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder Schusswaffen zum Opfer, als im
Nahen – und Mittleren Osten, werden Körper an Körper gedrückte Häftlinge
in gnaden – und gewissenlos überfüllten Gefängnissen unmenschlicher
behandelt als aus den aktuellen Skandalen hervorgeht.
Mein Hirn
spielt eine Karte aus - einen Joker - , auf dem das Wort „Nürnberg“
steht.
Ich versuche
diese Provokation zu ignorieren.
Im Traum sitze
ich mit Rumsfeld, Sharon und Göring am Tisch. Hermann mischt die Karten.
„Vae victis“
sagt Donald und Ariel lacht, redet etwas von „Schwarzer Peter“ und Status
quo daher. Ich verstehe fast kein Wort, weil er es auf hebräisch sagt.
Es wird kein
neues Nürnberg geben, die Schandtaten der amerikanischen Schergen -
möglichst kleiner Batente... ein halbes Dutzend Recruten oder so... -
werden bald vom Sand des Mittleren Osten verweht, vergraben und von aller
Welt vergessen sein. Die Geschichte wird auch die Bluttaten des
israelischen Militärs feierlich ignorieren.
Wir haben
gelernt zu excludieren, auszugrenzen. Heute errichten wir immer weniger
Mauern; geben kaum noch Geld für Stacheldrähte aus, doch hohe, fein
säuberlich gestutzte Hecken schützen unsere versulzten und bei Schönwetter
mehr oder weniger unbedeckten joghurtfarbenen Körper vor fremden Blicken.
Früher durften
höchstens drei Kinder der vierten Volksschulklasse ins Gymnasium
vorrücken. Allen anderen blieb die Hauptschule, wenn möglich der zweite
Klassenzug...
Volksdeutsche
und andere dahergelaufene Habenichtse wurden geduldet, so lange sie in
ihren Ghettos und Barackenlagern verharrten.
Auch bei
zwischenmenschlichen Beziehungen gab es diese oder jene Grenze. „War da
was“? „Ist da etwas gewesen“? ... Fragen, die ich nach einer Ball– oder
sonstigen Tanzveranstaltung oft hörte.
Auf einmal gibt
es dort, wo vor nicht allzu langer Zeit unüberwindliche Stacheldrahtzäune
der Umwelt ihre hässliche Fratze aufdrängten, keine Grenzen mehr.
Können wir ohne
diese Richtlinien überhaupt leben, uns „orientieren“? Wie kommen wir
fürderhin ohne jene Beziehungspunkte aus? Morgen schon werden andere
Tschuschen die neuen Tschuschen sein. Kein Problem!
Im Traum sagt
der steirische Literat Edi Ferstl zu mir, man dürfte eigentlich von keiner
EU-Osterweiterung sprechen, denn Laibach und Prag liegen - geographisch
gesehen - westlich von Wien...
Politisch
gesehen liegt heute Warschau sogar „westlicher“ als Berlin und Brüssel...
womöglich irgendwo zwischen Tombstone und Dodge City, zwischen New York
und Washington...
Fragt sich nur
noch, wo irgendwann und in ferner Zukunft das neue Sarajevo liegen wird...
Wahrscheinlich
existieren Neu Nürnberg und Neu Sarajevo nur in meinen exotischen
Alpdrücken. Die Motive aber, die dazu führen könnten, sind leider echt und
keine Träume.
Salvador, 17.Mai 2004
Reinhard
Lackinger,
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