Michaela Essler
Der Mob von Salzburg
Eine Künstlergruppe baut auf einem öffentlichen Platz in
Salzburg eine Skulptur auf, die den Großteil der Bevölkerung
empört und innerhalb weniger Stunden für einen handfesten
Skandal sorgt. Die Stadtväter, denen diese Skulptur
offensichtlich auch nicht gefällt, verlangen, dass sie in den
Innenhof des Rupertinums gestellt wird. Die Künstler weigern
sich und die Stadtverwaltung lässt darauf hin die Skulptur
vernageln.
Empörung und Entsetzen in der Kunst-Szene. Die Freiheit der
Kunst ist gefährdet – schallt es von allen Seiten. In der
Sendung „Treffpunkt Kultur“ vom vergangenen Montag
schließlich, versteigt sich der Vertreter der Künstlergruppe
dazu, die Menschen in Salzburg als Mob zu bezeichnen und den
Bürgermeister als Vertreter des Mobs. Für ihn ist klar: an dem
Skandal tragen die Künstler keine Schuld, sondern das niedere,
primitive, ungebildete Volk – der Mob von Salzburg – und deren
Vertreter.
Gut und schön. Über Kunst kann man streiten: was dem einen
gefällt, ist für den anderen ein Skandal. Aber Künstler, die
ihre Werke ausstellen, einem breiten Publikum präsentieren,
stellen sich der öffentlichen Kritik. Kritik besteht aber
nicht ausschließlich aus Lobeshymnen und Begeisterung. Es ist
das gute Recht der Menschen ihre freie Meinung zu äußern und
zu sagen: „Das gefällt mir nicht. Ich will diese Skulptur
nicht auf einem öffentlichen Platz stehen sehen. Ich will
nicht, dass meine Kinder das sehen.“ Eine Skulptur
wohlgemerkt, die in den Medien alsbald als Viagra - Denkmal,
Penis-Statue, Phallus-Skulptur, Pinkel-Plastik und ähnliches
bezeichnet wurde.
Es ist gelinde gesagt eine Frechheit die Salzburger als Mob zu
beschimpfen, bloß weil die Kunst-Beglückten nicht in
Begeisterung ausbrechen, sondern mit ablehnender Kritik auf
die Schöpfung reagieren, die ihnen vor die Nase bzw. vors Auge
gesetzt wurde.
Niemand hat hier die Freiheit der Kunst in Frage gestellt. Nur
eines ist klar: nicht jedes Kunstwerk ist an jedem beliebigen
Ort präsentierbar. Auch wenn sich die Künstler auf die hehren
Ideale der Freien Kunst berufen, so hat diese Aktion doch
einen sehr fahlen Beigeschmack. Denn irgendwie beschleicht
einen doch das Gefühl, daß es hier mehr darum ging, die
Aufmerksamkeit der Medien zu erheischen. Falls dies das Ziel
war, kann gratuliert werden.
Viel zurückhaltender war interessanterweise die Reaktion der
Kunst-Szene nach der Premiere von „Die Entführung aus dem
Serail“. Die Inszenierung hat den Festspielgästen nicht
gefallen und sie taten ihre Meinung mit lauten Buh-Rufen kund.
Herrschte hier auch der Kleingeist des Mobs? Wo ist die
Empörung der Kunst-Szene, über das Publikum, das die Freie
Kunst nicht versteht. Aber vielleicht erscheinen Buh-Rufe und
Missfallen in einem anderen Licht, wenn sie von zahlenden
Zuschauern kommen. Stimmt schon: das Stück wurde nicht vom
Spielplan abgesetzt, auch wenn die Inszenierung vom Publikum
abgelehnt wurde. Trotzdem stellt sich die Frage, ob hier nicht
die Reaktionen mit zweierlei Maß gemessen wurden.
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