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"Europas diplomatische Wallungen"

Für eine Weile hat es doch tatsächlich so ausgesehen, als ob die Europäische Union in der Lage wäre, den schiefhängenden Haussegen wieder ins Lot zu bringen. Nach den massiven Differenzen, die der Irak-Konflikt heraufbeschworen hatte, waren alle bemüht, eine gemeinsame Richtung zu finden, und den Zusammenschluß Europas weiter voranzutreiben.

Die Verträge mit den 10 Beitrittsländern wurden unterzeichnet, der EU-Konvent legte den Entwurf einer europäischen Verfassung vor und die Agrar-Reform wurde abgesegnet. Alles Ereignisse, die einen Silberstreif am Horizont erscheinen ließen, und den Eindruck erweckten, daß es wieder vorwärts ginge.

Doch dann kam der 01. Juli 2003 und Italien übernahm die EU-Ratspräsidentschaft. Ganz Europa blickte gespannt in den Süden, denn Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi machte in den vergangenen Monaten vor allem dadurch von sich reden, daß er die italienische Gesetzeslage seinen eigenen Bedürfnissen anpaßte. Ein Mann, gegen den im eigenen Land Gerichtsverfahren anhängig sind, soll nun während den nächsten 6 Monaten die Regierungskonferenz leiten, die über die europäische Verfassung entscheiden wird.

Silvio Berlusconi, der bekannt ist für seine medienwirksamen Auftritte verlor auch keine Zeit und sorgte gleich zu Beginn für einen handfesten Skandal. Er bot einem deutschen EU-Abgeordneten eine Filmrolle als KZ-Aufseher an. Damit noch nicht genug, sah sich der italienische Staatssekretär für Tourismus, Stefano Stefani, ein paar Tage darauf veranlaßt, nicht nur einen einzelnen EU-Abgeordneten, sondern gleich alle Deutschen zu beschimpfen: „Die Deutschen sind blonde, stereotype Personen und bevölkern im Sommer lautstark italienische Strände, besoffen von arroganter Selbstsicherheit“ ließ er vergangene Woche die Welt wissen.

Und somit hängt der gerade mühsam zurechtgerückte Haussegen wieder schief. Nur mit dem wesentlichen Unterschied, daß diesmal keine Sachfrage die Gemüter erhitzt. Es waren Äußerungen, die an eine Bierzelt-Diskussion zu vorgerückter Stunde erinnern.

Und so sind die europäischen Politiker zur Zeit mit der Kalmierung völlig unnötiger diplomatische Spannungen zwischen zweier Mitgliedsländern beschäftigt, anstatt an den großen Projekten für die Zukunft Europas weiterzuarbeiten.

Es ist wirklich kein Wunder, wenn Europa auf der weltpolitischen Bühne nur ein Leichtgewicht ist. Denn wer nimmt eine Staatengemeinschaft ernst, in der ein Ratspräsident und sein Staatssekretär mit ihren Verbal-Attacken derartige diplomatische Wallungen provozieren, daß wichtige Projekte wieder einmal kurzfristig ruhen, bis die angespannten Beziehungen beruhigt sind.

Die Ereignisse der vergangenen 14 Tage legen die Vermutung nahe, daß die EU-Ratspräsidentschaft Italiens Europa in den nächsten Monaten noch eine turbulente Zeit bescheren wird. Es bleibt zu hoffen, daß Europa auch weiterhin in der Lage ist, alle auftretenden Turbulenzen ohne größeren Schaden zu überstehen.

14.07.2003

Michaela Essler Dorfzeitung

 

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