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Theaterfoto Schauspiehaus Salzburg

Thomas Bernhard

Die Macht der Gewohnheit

MIT: OLIVER HILDEBRANDT, MARCUS MAROTTE, ARIADNE PABST, GEORG REITER, OLAF SALZER
REGIE: ROBERT PIENZ /
AUSSTATTUNG: ISABEL GRAF, JULIA SCHNITTGER

„Man darf nicht pausieren“ - Seit zwanzig Jahren der hartnäckige Versuch des Zirkusdirektors Caribaldi, Musik zu machen. Das Forellenquintett soll geprobt, soll eines Tages gar in der Manege gespielt werden, von einem denkbar ungeeigneten Ensemble – den Artisten seines kleinen, herumtingelnden Familienbetriebes. Noch nie, und man weiß es: auch diesmal nicht wurde das Stück auch nur zu Ende gebracht. Immer, und man weiß es: auch diesmal scheitert das Vorhaben an den gleichen lächerlichen Störmanövern, derselben Ignoranz und Inkompetenz der Beteiligten. Keiner und keine mag proben, nicht der Jongleur, nicht der Spaßmacher, nicht der Dompteur und Neffe Caribaldis, nicht die Seiltänzein, seine Enkelin. Sie hassen ihre Instrumente, doch die müssen gespielt werden. Und Caribaldi selbst, der erbarmungslos gegen alle Widerstände die täglichen Proben durchdrückt, kann Schubert nicht leiden, doch das Quintett muss gespielt werden: Es gibt in der Kunst kein Pardon.

Und kein Entrinnen in der Sprache des Thomas Bernhard. Die dreht und wendet ihr Material, beäugt es von allen Seiten, kaut es durch, schluckt, würgt hoch, wiederkäut es, dass es alle erdenklichen Färbungen annimmt und Verfärbungen. Zur Kenntlichkeit entstellt... Nicht neu, das Bild, und auch die Beschreibung der Bernhard’schen Sprache als Sprachmusik nicht. Diese Musik wird in weiten Teilen der jüngsten Inszenierung am Schauspielhaus wahrnehmbar – und das ist eine der Stärken des Abends.

Zumeist überzeugend sind auch die Figuren gezeichnet: Georg Reiter als Caribaldi ist eine zwiespältige Gestalt, Machthaber und Rechthaber, Geiselnehmer und Peitsche seiner traurigen Truppe, wehleidig auch, in Momenten verletzlich, und selbst ein Getriebener – letztlich wird nicht restlos verständlich, worauf seine Macht über die anderen gründet. Olaf Salzer spielt den Jongleur nuancenreich, setzt Stimme und Körper kultiviert-exaltiert ein, die Unterwerfung wird ihm erträglich nur im Selbstbetrug. Der Spaßmacher des Oliver Hildebrandt: ein Verlorener, sein Körper auseinanderfallend, nach außen transportiertes Bild einer bruchstückhaften, inkonsistenten Welt, die er nicht zu fassen bekommt. Ganz konträr gezeichnet, aber nicht weniger hilflos ist der Dompteur. Gewiss, er ist ein roher Mensch, und roh das Fleisch seiner offenen Wunden, wund zum Tod was einmal seine Seele war: allein schon wie Markus Marotte sich ans Klavier setzt, lässt das Elend seiner Figur fühlbar werden. Vollständig ergreifend schließlich spielt Ariadne Pabst die Enkelin: Jedes Wort, das er ihr nicht zuvor in den Mund gelegt, bekommt sie von Caribaldi abgeschnitten. Wie sie aber schweigt, wie ihre Finger am Nagelbett zupfen, ihre Schulter sich unter der Berührung des Großvaters hochzieht, wie ihr Blick wandert und ausweicht, wie sie sich keinen Raum zu nehmen wagt: das ist von geradezu atemberaubender Intensität.

Ein zwiespältiger Abend trotzdem:
Bernhards Sätze könnten prügeln, aber sie tun es nicht. Sie könnten zum Lachen reizen und dann wie Gräten im Halse festsitzen, aber sie tun es nicht. Sie könnten ein Strudel sein, in den es einen zieht, eine Hochschaubahn, deren Trümmer einem um die Ohren fliegen bevor man aussteigen kann – aber sie sind es nicht. Warum?

Zu konkret verortet das deftig realistische Bühnenbild die Handlung in einem zu konkreten Zirkus; die Künstlichkeit von Sprache, Situation und Figuren wäre besser vor einer weniger massiven Folie freigestellt.

Vor allem aber fehlen Rhythmuswechsel, Tempo, Leichtigkeit. Sicherlich, auch wenn ein Theaterstück von Thomas Bernhard Komödie zu sein behauptet, ist nicht mit allzuviel unbeschwertem Lachen und Schenkelklopfen zu rechnen. Doch die gleichmäßige Schwere tut dem Unternehmen nicht gut, die Repetition der Sprachmotive ermüdet, statt aufzupeitschen; statt bloßgestellt, bleiben die schmerzhaftesten Sätze zugedeckt vom Umgebungslärm.

Kann gut sein, dass das zumindest zum Teil der Premierensituation zuzuschreiben ist – und die kommenden Aufführungen ein runderes Gesamtbild ergeben...... 

 

Chrsitina Klaffinger, Dorfzeitung, 14. 11. 2007



 

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Theaterfoto Schauspiehaus Salzburg

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Theaterfoto

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Theaterfoto Schauspiehaus Salzburg

Fotos: Eva-Maria Griese, Schauspielhaus

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