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Markus Marotte

Arthur Miller

Tod eines Handlungsreisenden

Ein Stück über die letzten Tage im Leben eines Gescheiterten. Ein zutiefst trauriges Stück, in dem die Menschen einander nicht erreichen, weil schon die Voraussetzungen falsch sind.

Da ist Willy Loman, gealterter, glückloser Vertreter, äußerst glaubwürdig verkörpert durch Markus Marotte. Keine Verkaufskanone, im Gegenteil. Groß wollte er werden, groß ist er nur noch in der unbändigen Verzweiflung, mit der er versucht, vor den Söhnen, vor der Frau, vor sich selbst vor allem seine Lebenslüge aufrecht zu halten. Ein verlogener Mensch, dieser Loman, ein Feigling, aufbrausend, stolz immer im falschen Moment, und doch.... und doch rührt er, wünscht man ihm, dass er es schaffen möge. Oder zur Besinnung kommen, wenigstens.

Da ist seine Frau Linda, die dieses Leben abwärts mit ihm teilt, seinen Selbstbetrug durchschaut und ihm doch mit aller Kraft hilft, diesen aufrecht zu erhalten, weil sie weiß, dass er an der Erkenntnis zerbrechen müsste. Großartig spielt Daniela Enzi diese rettungslos an ihren Mann Gebundene, die sogar die Söhne opfert, weil nichts und niemand neben der ins Monströse gewachsenen Figur des leidenden Mannes mehr von Bedeutung ist.

Michal Rutz und Florian Eisner als Söhne Happy und Biff, die anfangs ein wenig papieren wirken – was durchaus auch dem Text geschuldet sein mag – entwickeln im Lauf der Handlung differenzierte Persönlichkeit: Biff hin- und hergerissen zwischen Widerstand und Anpassung, zwischen der Liebe zum Vater und Hass auf den Mann, der ihn zerstört hat, Hap als scheinbar weniger verbogener Charakter, der bereit ist, den Dreck unter dem Teppich zu lassen.

Bühnenbildner Stephan Bruckmeier skizziert auf dem mit grünem Filz ausgelegten Bühnenboden einen Wohnungsgrundriss aus weißen. Senkrecht gespannte weiße Gummifäden trennen die Räume voneinander. Es gibt weder Türen noch Fenster. Eine Versuchsanordnung, die an Käfig oder Kokon, an Dogville erinnert, auch an Francis Bacons Kardinals-Bilder. Auch wenn die Schauspieler durch die Fäden hindurch die Räume wechseln, bleibt stets das Bild von Auswegslosigkeit präsent.

Millers 1949 uraufgeführtes Theaterstück erzählt die Geschichte über weite Strecken aus einer Innenperspektive der Titelfigur, vor allem in Rückblenden und Parallelszenen. Regisseurin Eva Hosemann arbeitet in diesen Szenen mit starker Stilisierung von Bewegung und Handlungsablauf. Die überspitzte Zeichnung der Nebenfiguren macht deutlich, wie Loman sich seine Lebensgeschichte zurechtfiltert. Ute Hamm als Geliebte ist hier zu nennen, eine ebenso überzeugende Karikatur wie der Bernard von Hansi Anzenberger. Durch und durch sympathisch agiert Olaf Salzer als unbeirrbarer Freund Charlie, Harald Fröhlich spielt mit Willys Bruder Ben die abgenutzte Schablone des American Dream, an die Loman sich wider alle Erfahrung klammert.

Wenn Willy gegen Ende von Philip Leenders als Juniorchef Howard endgültig abserviert wird, in einer atemberaubenden, fast makaber komischen Szene mit Handy und Neusprech, wird endgültig klar, dass dieses Stück auch nach beinahe 60 Jahren eine aktuelle Geschichte erzählt – und dass es nicht nur eine tragische Familiengeschichte zeigt. Es berichtet von der Verfasstheit einer Gesellschaft, in der Erfolg das Maß für den Wert eines Menschen ist und davon, was den einzelnen aus dieser Verfasstheit erwächst.

Zu irgendwas muss ein Mensch doch gut gewesen sein, sagt Willy Loman, kurz bevor er seinen immer wieder phantasierten Selbstmord in die Tat umsetzt. Selbst noch in diesem Suicid paart sich die Verzweiflung mit dem Erfolgswahn: Mit der Auszahlung der Lebensversicherung in der Hand soll Biff endlich, endlich! dorthin kommen, wohin sein Vater wollte: nach oben.

 


Christina Klaffinger, Dorfzeitung

 

 

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Schauspielhaus Salzburg
Arthur Miller
Tod eines Handlungsreisenden


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Tod eines Handlungsreisenden. Theaterfoto von Eva Maria Griese

Tod eines Handlungsreisenden. Theaterfoto von Eva Maria Griese

Tod eines Handlungsreisenden. Theaterfoto von Eva Maria Griese

Tod eines Handlungsreisenden. Theaterfoto von Eva Maria Griese

Tod eines Handlungsreisenden. Theaterfoto von Eva Maria Griese

Tod eines Handlungsreisenden. Theaterfoto von Eva Maria Griese

Tod eines Handlungsreisenden. Theaterfoto von Eva Maria Griese

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Fotos: Eva Maria Griese, Schauspielhaus Salzburg.

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