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Roberto Zucco

Ist Roberto Zucco ein Held? Ein Vater- und Muttermörder, Vergewaltiger und erfolgreicher Zuchthausausbrecher?

In der Schlussszene des gleichnamigen Theaterstücks „Roberto Zucco“ von Bernard-Marie Koltès treten seine Opfer und Verfolger, allesamt eingekleidet in unschuldiges Weiß, gemeinsam vor die Rampe. Anfangs zaghaft stockend, dann immer deutlicher fordert und lockt ein Wort das andere, um in dem Ruf: „Du bist ein Held“ zu eskalieren. Er ist einer, der sich über alle gesellschaftlichen Schranken hinwegsetzt, jedes Hindernis beseitigt, sich buchstäblich über die Dächer davonmacht, stets seine Feinde abschüttelt und als ewiger Sieger in die Freiheit abhebt.

Roberto Zucco hat etwas faszinierend Unverwundbares an sich, das lässt die Stimmung seiner Verfolger kippen. Unisono übereinstimmend fragen die Menschen: “Roberto, wie machst du das?“ Er macht es, indem er die im Augenblick unbequemen Zeitgenossen ausradiert. Selbstverständlich und hemmungslos. Weil sie für ihn nicht wirklich existieren, kann er selbst im Effekt unterkühlt handeln. So möchten sie auch sein, seine Ankläger, auch sie wünschen, sich aus ihren inneren und äußeren Zwängen zu befreien, ohne Rücksicht - auf niemanden - und sei um den Preis roher Gewalt. Auf dem matschig-glitschigem Grund im großen, fensterlosen, versperrten Gebäude wird keiner geschont, das Mädchen, ihr Bruder, Roberto, sie stürzen und werden gestürzt. Im Morast und dunkelstem Schlamm korrespondieren die Taten mit dem Boden, auf dem sie sich abspielen. Isoliert und einzeln betreten die Personen die Bühne, den immer gleichen geschlossenen Raum. „Mein kleiner Liebling, meine weiße Taube“, trauert die Schwester um das Mädchen, sie liebt sie mehr als ihr Leben und doch konnte sie sie nicht ausreichend beschützen. Wie gelähmt beobachten zwei Aufseher den Ausbruch Zuccos, schaulustig und handlungsunfähig nehmen Passanten an einer Kidnapper Szene Zuccos teil.

Bernard-Marie Koltès gibt in einem Interview für den „Spiegel“ 1988 Auskunft über die Person seines Helden: „Dieser Mann tötete ohne jeglichen Grund. Und darum ist er für mich eine Held.“ Koltès sieht darin eine Verbindung zu mythischen Figuren wie beispielsweise Samson, Figuren, die ihn selbst durch ihr außergewöhnliche Kraft und Stärke faszinieren. Die Sogwirkung unberechenbarer Kraft gepaart mit kaltblütigem Mut scheint auch die Massen anzuziehen, wie Koltès in der Schlussszene des Stückes deutlich macht. In den 80er Jahren war der junge Franzose Bernard-Marie Koltès, der 1996 an der Immunschwäche Aids starb mit seinen Dramen ein hoch geschätzer Theaterautor. Die nach außen hin sichtbaren eruptiven Ausbrüche symbolisieren widersprüchliche Haltungen und Gefühle der Menschen, die in ihrem Inneren ihren Ursprung haben.

Ulrike Guggenberger,
Premiere 29. 10. 2006, Dorfzeitung


Dem Ensembe des Schauspielhauses gebührt ein Pauschallob, begeistert war ich von der Ausstattung. Es war ein beeindruckender Theaterabend.

Karl Traintinger, Dorfzeitung


 

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Fotos: Schauspielhaus, Eva Maria Griese

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