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by Schauspielhaus
 

Der Bus
(Das Zeug einer Heiligen)

„Wir stehen zwischen dir und deinem Gott. Willst du zu ihm, musst du zuerst an uns vorbei.“ Jasmin.

Fünf Leute, jeder grundverschieden, fahren zur Kur. Wirklich? Nein, natürlich nicht. Denn relativ schnell stellt sich heraus, dass jeder der Passagiere sein eigenes Süppchen kocht. Doch bald kocht diese über: Der Grund ist der blinde Passagier Erika (berührend: Christiane Warnecke), einer Pilgerin auf dem Weg zur Schwarzen Madonna von Tschenstochau. Pech für sie: sie sitzt im falschen Bus und das gefällt Hermann (grossartig: Georg Reiter), dem Chauffeur dieses Himmelfahrtskommandos, gar nicht.

Das Stück beschäftigt sich mit den Leitthemen Fanatismus und Lüge, deren Ursachen in der Angst liegen. Angst vor Autoritätsverlust, Angst schwach zu sein, Angst nicht geliebt zu werden. Da ist auf der einen Seite die angeblich so glaubensfeste Pilgerin Erika, deren einfache Glaubenssätze schnell an der komplexen Realität scheitern. Gescheitert ist aber nicht nur Erika, sondern auch die anderen Charaktere. Einziger Hoffnungsträger ist der versoffene Tankwart Anton (realistisch: Christoph Kail), einem Sozial -und Ökoromantiker, der aber an der Realität scheitert und deshalb ein Leben in der Einöde dem Stadtleben vorzieht – „denn da verliebt er sich so schnell.“

Der große „Böse“ im Stück ist der in seinem Autoritätsgehabe fanatische Hermann, der von allen Menschen in seinem Umfeld unbedingten Gehorsam verlangt. Karl (verklemmt: Volker Wahl), den ein unklares Verhältnis mit Erika verbindet, pflegt seine Feigheit als Teil seines Charakters und versäumt die Chance aus seinem alten Verhaltensmuster auszubrechen. Nie zu sehen bekommt man Herrn Kramer (Michael Kolnberger), den sich im Schmerz Verzehrenden, der alle Passagiere an ihre Endlichkeit erinnert. Jasmin (zynisch: Ulrike Arp) und „die Dicke“ (Cordula Schurich) runden das Spektrum menschlichen Versagens ab.

Die seltsame Reisegesellschaft will die ebenso seltsame Erika von ihrem Vorhaben unbedingt zur Schwarzen Madonna zu pilgern, abhalten, sie erpressen und ihren Glauben brechen. Erika kann es niemanden recht machen. Nur Anton akzeptiert sie so wie sie ist und sieht in ihr etwas Besonderes. Doch die sich zart entwickelnde Liebesbeziehung zwischen Erika und Anton darf nicht sein.

Der Zuschauer schwankt zwischen Lachen und bedrücktem Schweigen. Flotte Dialoge und tragische Momente wechseln sich zumindest in der ersten Hälfte ab und tragen so die Handlung vorwärts. In der zweiten Hälfte, an der Tankstelle, verliert das Stück ein bisschen seinen Fokus.

Das zweistündige, mehrfach ausgezeichnete Stück vom Schweizer Dramatiker Lukas Bärfuss macht betroffen und lässt dem Zuschauer Platz zum Interpretieren. Sehenswert!

 

 

Markus Viehauser & Thomas Biebl, Dorfzeitung


Premiere am 17. Mai 2006
im Schauspielhaus Salzburg

 

 

 

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Schauspielhaus Salzburg
Kooperation mit Les Théàtres de la Ville de Luxembourg
Lukas Bärfuss
Der Bus
(Das Zeug einer Heiligen)


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Fotos: Schauspielhaus, Eva Maria Griese

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