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by Christian Herzenberger, Schauspielhaus
 

Das Maschinentagebuch

Raserei und Wahnsinn, Feuer und Wasser, dröhnender Lärm, sexbetonte Frauen und gewalttätige Männer, bietet die Inszenierung von Steffen Höld auf, um das „Maschinentagebuch“ von Matsuo Suzuki im Schauspielhaus als Erstaufführung in deutscher Sprache zu bringen.

Eine Erklärung zu diesem Stück, nachzulesen im Programmheft: „Der unterschwellige Sadismus in der japanischen Gesellschaft stellt ein zentrales Thema in Matsuos Schaffen dar“. Matsuo 1962 in Kiushu /Japan geboren, will aufzeigen, „dass der Zwang zur Angepasstheit ... keine guten Menschen, nur seelische Krüppel produziert “.

Mit diesem Typus Mensch ist der Besucher konfrontiert, sie sind allesamt verbogen, Opfer ihrer psychischen Verhaltensstörungen. Akitoshi, der despotische Fabrikbesitzer, Michio sein gequälter Bruder, Sachiko, seine hoch neurotische Frau und die von Maschinen und Technik besessene Keiko. Diese zwei Männer und zwei Frauen, sie balgen und streiten sich unentwegt, sie buhlen um Aufmerksamkeit, um Sex und um Macht.

Abgehackte Sätze, Schreie, hysterische Anfälle, zwanghafter Sex. Die Sinne des Zuschauers werden überstrapaziert, es bleibt ihm zwischen Situations-Komik und gefrierendem Lachen keine andere Wahl, als das Szenarium als Groteske oder Persiflage aufzufassen. Auf dem Hintergrund eines fotorealistischen Bühnenbildes und postpoppiger Kostüme gefriert der Regisseur manche Szenen zu Bildern, die aus der postmodernen amerikanischen Malerei übernommen sein könnten. Die Dramaturgie bedient sich einer zeichenhafte Symbolsprache, die das Mehr einbringt, das über die bloße Typisierung der Personen und den banalen, zugleich latent aggressiven Text hinausweist. Der Boden der Bühne, ein schwankender Grund, auf dem das Wasser immer höher schwappt, ein Wohn-Container als unsichere, ungeschützte Behausung, Vorschlaghammer und Axt, eine Wasserpistole aus Plastik, ein Kinderplanschbecken, das bedrohliche Fließband in der Maschinehalle, in diesen Requisiten liegt Aussagekraft für denjenigen, der sehen will.

Der Abend endet in einem albtraumartigen Untergangsszenario, ein Kastrat und ein Hinkebein, eine Brandlegerin und eine wieder auferstandene Ehefrau zeichnen sich als Figuren vor einem sich vom Feuer rot färbenden Himmel ab. Assoziationen zur längst vergangenen Brandkatastrophe im antiken Rom, schleichen sich ein. Zögerlicher Applaus, es lohnt sich das Textbuch vorher zu studieren. Wieder einmal beweist das Schauspielhaus sich in einer überbordenden Inszenierung.

 

11. 4. 2006

Ulrike Guggenberger,  Dorfzeitung

 

 

Pressinfo:

SCHAUSPIELHAUS SALZBURG
DAS MASCHINENTAGEBUCH
MATSUO SUZUKI

Japanische Freak-Show

DEUTSCHSPRACHIGE ERSTAUFFÜHRUNG
AUSTAUSCHPROJEKT MIT DEM THEATER PHÖNIX LINZ

Regie: Steffen Höld
Bühne: Reinhard Taurer
Kostüme: Kerstin Zornig
Lichtgestaltung: Stefan Pfeistlinger
Soundtrack: Wolfgang Fadi Dorninger
Mit: Maxi Blaha, Lisa Fuchs, Matthias Hack, Theo Helm

Vorstellungen: 11., 12., 13., 15., 16. und 17. April 2006, Saal

Werfen Sie einen Blick in eine fremdartige, groteske und bizarre Welt: ein normaler Tag, Arbeitermilieu, „Familienidylle“. Michio liegt angekettet in seiner Hütte. Er verbringt seine Zeit damit, Cornflakes in sich hineinzuschaufeln, Cola zu trinken und kaputte Elektrogeräte zu reparieren. Sein Bruder Akitoshi ist mit Sachiko verheiratet. Er hat sie aus Schuldgefühlen zur Frau genommen, nachdem sein Bruder ihr Gewalt angetan hat. Inzwischen überlegt Sachiko allerdings, ob sie mit ihrem Vergewaltiger Michio nicht viel glücklicher wäre. Akitoshi ist Chef einer dubiosen Fabrik, von der niemand genau weiß, was sie eigentlich herstellt. Da taucht eine neue Arbeiterin, Keiko, auf und sorgt für Chaos im „Familienidyll“. Keiko bringt es als Kampf- und Sexmaschine zu überraschenden Leistungen und beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit Michio. Es wird nicht gerade zimperlich miteinander umgegangen. Auch nicht, als es zum Brudermord kommt und der Tote letztendlich wieder zum Leben erwacht.

Das Urheberrecht für alle Texte, Bilder und Fotos liegt bei den AutorInnen.
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Schauspielhaus Salzburg
Matsuo Suzuki
Japanische Freakshow
DEUTSCHSPRACHIGE
ERSTAUFFÜHRUNG. AUSTAUSCHPROJEKT MIT DEM
THEATER PHÖNIX LINZ

Premiere am 11. 04. 06
"Das Maschinentagebuch"


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Fotos: Schauspielhaus, Christian Herzenberger

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