Die Bühne ein Käfig. Der Boden ein Schachbrett. Rechts – einem Podest
gleich – die Andeutung eines Wohnzimmers: Couch, Tischchen davor,
Teppichboden. An der Wand dahinter ein Gemälde: das brennende World Trade
Center. Es wird dunkel. Eine Klappe in der oberen rechten Hälfte der Wand
öffnet sich, Spot darauf: Frau Gott und Frau Tod bejammern ihr armes
Dasein. Frau Tod hat alle Menschen sterben lassen. Nun müssen die beiden –
Gott und Tod – für das Fernsehen arbeiten. Herren der Welt sind jetzt die
Tiere.
Herr Tapir und Frau Reh
bestellen einen Film bei Frau Gott und Frau Tod. Nichts Aufregendes bitte.
Keinen Krieg (zuviel Testosteron und schmutzige Kleider), keine nubischen
Initiationsriten (zu intim) – Nein, ein einfaches Menschenleben soll es
sein.
Das ist der Auftakt zu
Helges Leben. Helge: Kind einer Chefredakteurin und eines Arbeiters. Die
Mutter hat keine Zeit für das Kind, der Vater kann mit dem Kind nichts
anfangen. Immer Streit zwischen den Eltern. Und dann kommt Helges Angst.
Helges Angst kommt im schwarzen Anzug: „Wir werden uns gut verstehen. Wir
werden Freunde sein.“ verspricht Christoph Kail in der Rolle von Helges
Angst. Helge, dargestellt von Hans Danner, ist verlassen und alleine –
nur die Angst ist immer bei ihm, ist sein ständiger Begleiter, bestimmt
sein Leben, all seine Handlungen, läßt ihn nie los: in der Schule – Angst
ausgelacht zu werden, im Beruf – Angst als unfähig erkannt zu werden, in
der Liebe – Angst vor der Zuwendung des anderen. „Ich hätte gerne mal ein
angenehmes Gefühl“, wünscht sich Helge. „Vergiß es!“ ist die Antwort
seiner Angst.
Ein Menschenleben –
gespielt für Herrn Tapir und Frau Reh zur Unterhaltung. Nein, wie
merkwürdig die Menschen doch waren. Unvorstellbar, daß sie einmal die Welt
beherrschten. „Angst ist eine ernsthafte Einschränkung bei den Menschen“
erklärt Herr Tapir seiner Frau. Und doch wie amüsant. Ein Menschenleben
mit der Fernbedienung vorzuspulen, wenn es zu langweilig wird. Die
Menschen ein Gaudium für die Tiere.
Das Stück von Sibylle
Berg beschreibt, wie Angst lähmen kann, wie Angst alle Kraft vernichtet,
ja nicht einmal aufkeimen läßt und Menschen im eisernen Griff hält. Und
daß diejenigen, die von der Angst beherrscht sind, für die anderen – den
Angstfreien – zum Schauspiel werden. „Nur wer mutig ist, wird geliebt“
sagt Herr Tapir zu Helge.
Steffen Höld zeigt in
seiner Inszenierung nicht nur die Tragik eines „einfachen“
Menschenlebens, sondern auch wie nah das Absurde an der Tragik
angesiedelt ist. Das Ensemble der E-Bühne bietet eine überragende Leistung
und zieht den Zuschauer in ein Wechselbad aus Beklemmung und Komik. Eben
noch gelacht, bleibt einem gleich darauf das Lachen im Hals stecken.
Zum Schluß ein Lied:
Star Spangled Banner – die Nationalhymne der USA. Herr Tapir und Frau Reh
stehen vor dem Bild des brennenden World Trade Center, die Hand auf dem
Herzen. Der Beginn des Untergangs der Menschheit? Der Beginn der
Herrschaft der Tiere? Bilder aus dem Film „Der Planet der Affen“ werden
wach. Die Beklemmung ist wieder da.
Michaela Essler Dorfzeitung
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