Schnaps, Kaffee, Zeitung, Fenster auf, Fenster zu, Ruhe – darauf reduziert
sich die Kommunikation zwischen Geesche und ihrem ersten Mann
Miltenberger. Wir befinden uns in Bremen zwischen 1820 und 1830. Diese
Ehetragödie glauben wir heute, 150 Jahre später, als nicht mehr zeitgemäß
getrost abhaken zu können.
In Einem ergänzen sich
die Wünsche des scheidenden Regisseurs Wolfgang Mayr und des momentanen
Gastregisseurs Reinhard Tritscher im Antheringer Laientheater sicherlich:
Mayr wollte übergeben,
Tritscher hat gerne angenommen. Wolfgang Mayr kann auf seine
Theaterarbeit, die mit dem Franz Eberherr Preis ausgezeichnet wurde, stolz
sein. Sein Entschluss sich zurückzuziehen entstand aus dem Wunsch, mit
einer neuen Person dem Theater einen frischen Impuls zu geben.
Mayr war Mitbegründer
der Elisabthbühne, 1980 übernahm er das Antheringer Laientheater. Mayr
spürt, dass in sperrigen Stücken viel unbequeme Wahrheit, aber auch starke
Aussagekraft liegt. Inszenierungen wie „Besuchszeit“ von Felix Mitterer
zählen zu seinen größten Erfolgen. Das Stück „Bremer Freiheit“ hat Mayr
noch ausgesucht. „.Ich mag Fassbinder, er macht geradliniges,
dramaturgisch wunderbar gebautes Theater.“
Reinhard Tritscher
fühlt einen besonderen Zugang zu Menschen in bestimmtem gesellschaftlichen
Konstellationen. Die Geschichte der Bremer Geesche entspricht seinem
künstlerischen Programm, worin es immer wieder um das „Aufzeigen von
Zwängen in einem bürgerlichen Wertesystem geht - gleichgültig ob es einen
Mann oder eine Frau betrifft“.
Reinhard Tritscher
arbeitet schon seit Jahren vorzugsweise mit engagierten Amateuren, die
Schauspieltruppe von Anthering hat einen ausgezeichneten Ruf. Dieses
Kompliment ist auch an Wolfgang Mayr gerichtet. Tritscher schätzt die
Arbeit mit Bühnen am Land aus besonderen Gründen. Das gemischte Publikum,
das sich, wie hier in Anthering, aus städtischem und ländlichen Publikum
zusammensetzt, empfindet Tritscher als stimmig für die Aufführung seiner
Stücke. Die geschichtliche Vergangenheit ist am Land oft noch stärker
spürbar, das erhöht die Erlebnisfähigkeit des Publikums. Das Theater kann
selbstverständlich keine allgemeinen Wahrheiten anbieten, besitzt aber als
Ort der Kommunikation eine hohe Bedeutung. Das richtige Stück am richtigen
Ort zu inszenieren ist ein wesentlicher Aspekt für die Theaterarbeit. Seit
neunzehn Jahren arbeitet Tritscher auch mit Behinderten und macht Theater
mit ihnen.
Schnaps, Kaffee,
Zeitung, Fenster auf, Fenster zu, Ruhe – darauf reduziert sich die
Kommunikation zwischen Geesche und ihrem ersten Mann Miltenberger. Wir
befinden uns in Bremen zwischen 1820 und 1830. Diese Ehetragödie glauben
wir heute, 150 Jahre später, als nicht mehr zeitgemäß getrost abhaken zu
können.
Was will diese Geesche,
die rohe, gewalttätige Männer, Ehemänner und unbequeme KritikerInnen
mittels kleiner weisser Kügelchen im Kaffee mund(mause)tot macht?
Sie will etwas, was
auch heute noch keine Selbstverständlichkeit ist: Selbstbestimmt leben und
das noch dazu als Frau!
Sie spürt instinktiv „
... das war kein Leben, das Mutter führte“, und lässt sich - auch mit
Gewalt – nicht einreden: „ ... du denkst zuviel, das strengt das hübsche
Köpfchen an“. Solche gut gemeinten Ratschläge von Männern dienen nur deren
eigener Bequemlichkeit, von Geschlechtsgenossinnen aber deren eigener
Beruhigung.
Die Verhältnisse im
Fassbinder Stück spitzen sich zu. Geesche wird von allen Seiten immer mehr
in die Enge getrieben. Da sich ihre Befreiungsphantasien, ihre für die
damalige Zeit unpassenden sexuellen Wünsche und ihr Streben nach
geschäftlicher Unabhängigkeit nicht verwirklichen lassen, führt das dazu,
dass sie wie ein eingesperrtes, rasendes Tier ihre Brut tötet. Von diesem
Augenblick an hat sie nur mehr bedingt mit den Sympathien des Publikums zu
rechnen.
„Mir ist es wichtig
verständlich zu machen, warum diese Frau Täterin wird“, erklärt Regisseur
Reinhard Tritscher.
„Gut ist die Geesche
nicht,...sie ist auch keine erste Frauenrechtlerin, aber es ist trotzdem
wichtig, dass eine aufsteht und sich wehrt...“ so äußert sich Ulli
Fißlthaler, die Hauptdarstellerin zu ihrer Rolle. „Sie hat Mut und Courage
und spricht aus, was sie denkt, und versucht zu leben, was sie leben
will“, darin liegt die Faszination dieser Frauenfigur für Wolfgang Mayr.
Er scheint für aufmüpfige Frauenzimmer ein besonderes Interesse zu haben.
Das ebenfalls von ihm erarbeitet Stück „Erde“ von Ludwig Anzengruber oder
auch „Magdalena“ von Ludwig Thoma, lassen das vermuten.
„Ich musste eine Rolle
spielen, die heute so nicht mehr gelebt werden kann, ich habe mich nicht
sehr wohl dabei gefühlt“, sagt Roman Ferrari, der zweite Ehemann von
Geesche.
Das spürt auch der
Zuschauer. Die Männer haben sich allesamt schwer getan mit ihrer groben,
rücksichtslosen Rolle. Geesche spielt ihren Part autonom und
ausdruckstark. Weil sie sich mit ihrer Rolle identifizieren kann, spielt
sie die Männer an die Wand. Den zwei anderen Frauen im Stück, Mutter und
Freundin Luise, gibt der Autor viel persönliches Profil. Schade, sie
setzen diese starken persönlichen Eigenschaften nur ein um ihr Verhalten
bedingungslos an die Gesellschaft anzupassen. Die darstellerische
Leistung von Martina Kardeis und Gerhilde Heißel bringt diese vergeudete
persönliche Stärke gut zum Ausdruck.
Immer wiederkehrende
Schlüsselszenen werden von Reinhard Bitzinger musikalisch hervorgehoben.
Seine vibrierende Musik spiegelt viel von der seelischen Anspannung der
Heldin wider.
Das Bühnenbild
erscheint im Gegensatz zum hochdramatischen Inhalt des Stückes sehr
geglättet und geschönt, was wiederum den gesellschaftlichkritischen
Sachverhalt verdeutlicht : „Es trügt der schöne Schein.“
Ulrike Guggenberger Dorfzeitung
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