„Wasserdämpfe, Kohlensäure, Kohlenoxydgas, schwefelige Säure... nichts als
ein chemisch-physikalischer Vorgang, den wir schon in der Schule
lernen“... in dieser Welt der handwerklichen Fabrikation von Glas lebt
Herr Pfeil, Eigentümer der Glashütte in Bürmoos.
Seinem Willen und persönlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass in
Bürmoos um die Jahrhundertwende eine blühende Glasmanufaktur ihren Betrieb
aufnimmt.
Mit Unterstützung des Notars von Oberndorf gelingt es Pfeil, den an
sich wertlosen Moorgrund den Gemeinden von Bürmoos und Lamprechtshausen
abzukaufen. Vor ihm hat bereits ein Spekulant, Aramescu, nach Kohle
gegraben und ist dabei bankrott gegangen. Das Misstrauen gegen diesen
neuerlichen Versuch einer Nutzbarmachung des Moores ist unter den
umliegenden Bauern groß.
Das Bühnenstück im Theater Holzhausen ist die dramaturgische
Fassung des Romans von Georg Rendl „Die Glasbläser von Bürmoos“. Die
Premierenbesucher am 1. Mai 2003 erlebten die Welturaufführung dieses
Schauspiels.
Gleich zu Beginn: Es ist hervorragend gelungen, aus dem breit
angelegten lokalen Roman der Entstehung des Dorfes Bürmoos eine spannende
Collage auf der Bühne zu inszenieren.
Aus dem Auftrag an den Dramaturgen Gerald Schwarz, ein Bühnenstück
zu den „Glasbläsern“ zu verfassen, hat Regisseur Gerard Es die
vorliegende Strichfassung entwickelt.
„Mir war klar, dass es schwierig sein wird, alle Elemente aus dem
Roman in die Bühnenfassung mitzunehmen“, kommentiert Gerard Es. Sein
Stilmittel dazu ist in diesem Fall die Figur des Erzählers. Dieser
übernimmt die Regie auf der Bühne, Anklänge an den Autor des Romans, Georg
Rendl liegen nahe.
Matthias Hochradl fegt als Erzähler mit Rendls? Leinensakko und
Panamahut über die Bühne, tritt so unvermittelt auf, wie er plötzlich
wieder verschwindet und verkündet banale Tatsachen mit der gleichen
Coolness wie tragische Unglücksfälle. Er kommentiert das Geschehen auf der
Bühne, bringt sich selbst im passenden Moment mit ein, bestimmt und
dirigiert Tempo und Ablauf der einzelnen Szenen, ganz selbstverständlich
sorgt er nebenbei für wechselnde Requisiten. Es ist eine Freude ihm
zuzusehen, wie brillant er auf offener Bühne im wahrsten Sinne des Wortes
vom Erzähler in die Rolle eines der Bürgermeister schlüpft.
Das Stück ist in Sequenzen, in Bühnen-Bilder, gegliedert. Wie in
einem Bilderbuch werden Begebenheiten aus dem Leben der handelnden
Personen aufgeblättert.
Pfeil und seine Frau Emmy, die die Glashütte in Bürmoos begründen,
stehen mit ihrer Familien- wie auch Firmengeschichte im Zentrum des
Geschehens. Ländliche Wirtshausraufereien, die die Spannungen zwischen
italienischen Gastarbeitern und der ländlichen Bevölkerung beleuchten,
sind temperamentvoll in Szene gesetzt.
Pfeil, der als zweiter Sohn eines Glasfabrikanten das Abenteuer
einer eigenen Firmengründung eingeht, beruft erfahrene Glasbläser nach
Bürmoos. Von weit her werden die tüchtigsten Vertreter dieses Faches
zusammengerufen, weil von ihrem handwerklichen Geschick alles abhängt.
Die Geschichte der Entstehung des Dorfes Bürmoos – so benannt ,
weil die Bauern hier „Büren“ (Beeren) pflückten, spielt sich beispielhaft
für Leben und Sterben der Menschen hier auf der Bühne ab.
Der Tod, der wie überall auf der Welt auch in diesem dramatischen
Epos zum Leben gehört, besitzt im Erdendasein eines Glasbläsers eine
besonders bedrohliche Rolle. Krankheiten, vor allem TBC, werden über die
Pfeifen (Glasblasrohr) von Arbeiter zu Arbeiter übertragen und fordern
immer häufiger den Tod heraus. Sie wissen um ihre relativ kurze
Lebenserwartung und pressen aus der ihnen verbleibenden Zeit alles heraus.
„In Bürmoos ist es schwer Arzt zu sein“. Dieser Satz von Dr. Korn fasst
die Problematik zusammen. Die Glasmaschine zur Entlastung der Arbeiter ist
ja schon erfunden, aber wovon sollen dann die Arbeiter leben?
Der erste Weltkrieg treibt auch in Bürmoos die Entwicklung hin zum
Untergang voran.
Viele junge Männer müssen in den Krieg ziehen, die katastrophale
wirtschaftliche Lage verhindert eine positive Weiterentwicklung der
Glashütte. Der heimkehrende Sohn der Besitzerfamilie kann das Ende nicht
mehr aufhalten. Manche Arbeiter bleiben, kaufen sich ein Stück Moor und
machen den Boden urbar.
In das Bühnengeschehen fügen sich ein Philosoph und sein
Gegenspieler, der Mann mit dem Panoptikum. Ersterer sucht über intensives
Nachdenken seine Handlungen und die seiner Mitmenschen zu begreifen,
letzterer versucht über lautstarke Propagandamethoden den unaufhaltbaren
Lauf der Geschichte den Menschen einzuhämmern.
Mit Hilfe von Lichttechnik, schräg über den Bühnenraum verlegten
Eisenbahnschienen und Videoprojektionen historischer Fotografien fühlt
sich der Zuschauer räumlich in die jeweilige Szene versetzt. Ohne großes
Pathos, ohne überflüssiges Spektakel und Getöse, straff und flüssig, ohne
jemals Langeweile aufkommen zu lassen, rollt die lokale Geschichte einer
jungen Flachgauer Gemeinde vor den Zuschauern ab.
Emotionale Unterstützung findet das Publikum in der Musik von
Reinhard Bitzinger, die die dramatische Erzählung einfühlsam hinterlegt
und inhaltliche Mitteilungen über andere Sinne gefühlsmäßig erfahrbar
macht.
Den 21 Schauspielerinnen, die in 27 kurzen Szenen ihr Können
beweisen, gebührt großes Lob. In diesem Stück gibt es keine Nebenrolle,
sondern ausschließlich Hauptrollen!
Der Regisseur des Bühnenstückes Gerard Es ist zugleich erfahrener
Schauspieler. Mit Reinhard Tritscher zusammen gründete er das „Theater
Ecce“. Am Anfang seiner künstlerischen Tätigkeit steht die Elisabethbühne
in Salzburg. Er kennt die Laienschauspielszene seit Jahren und hat ein
Gespür dafür, wie Leute zueinander passen. Gerard Es hat die Truppe für
diese Aufführung zusammengestellt. „Meine Regiearbeit ist danach
ausgerichtet, dass ich aus einem Vertrauensverhältnis heraus das Beste aus
den Leuten heraushole. Wir wollen gemeinsam eine Geschichte erzählen.“
Seine Schauspielerfahrung ist ihm dabei von großem Nutzen. Er ist mit der
Leistung der Schauspieler im Theater Holzhausen, speziell in diesem Stück,
sehr zufrieden. Besonders in den kurzen Szenen ist es notwendig, sofort
präsent zu sein.
An der Geschichte der Glasbläser von Bürmoos interessiert ihn die
positive Bewältigung des Zusammenlebens einer gemischten Gruppe von
Einheimischen und Fremdarbeitern im Schmelztiegel Bürmoos. Die Gestalt des
Chefs des Unternehmens, des Herrn Pfeil, der sich väterlich um seine
Arbeiter bemüht und sein eigenes Wohlergehen mit dem seiner ihm
anvertrauten Menschen verknüpft, macht großen Eindruck auf ihn.
Zum Abschluss die Meinung eines Premierenbesuchers im Theater
Holzhausen:
„Ich finde die Kernaussage des Romans von Georg Rendl im
Theaterstück gut nachvollziehbar herausgearbeitet. Vor allem bewundere ich
die textliche und szenische Aufarbeitung der Tatsache, dass Pfeil, der
Gründer der Glashütte Jude war“.
Ulrike Guggenberger,
Dorfzeitung
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