Robert
H. Pflanzl (Hrg.)
Berta Pflanzl
-
Vom Dienstmädchen zur gnädigen Frau
Salzburger Tagebücher 1898 – 1953
476 S.
Böhlau Verlag Wien
Preis: Euro 29,90
ISBN 978-3-205-78287-2
Direktor Dr. Erich Marx stellte am
Donnerstag, den 5. Februar 2009 die Kunsthalle des Salzburg Museum,
in der gerade die Ausstellung „Stadt Salzburg – Ansichten aus fünf
Jahrhunderten“ zu bewundern ist, als stimmigen Rahmen für diese
Präsentation des Buchs „Vom Dienstmädchen zur gnädigen Frau“ zur
Verfügung.
Als im Jahre 1993 eine Dienstwohnung der
Stieglbrauerei in der Festungsgasse 6 in Salzburg geräumt werden
musste, wurde in einem feuchten Hinterzimmer ein wahrer Schatz
entdeckt: die Tagebücher der Berta Pflanzl. Robert H. Pflanzl, der
historisch interessierte Enkel, war so fasziniert, dass er mehr als
15 Jahre später - nach umfangreicher Ordnungsarbeit und gründlicher
Recherche - voll Stolz das
Buch über das 71-jährige Leben seiner Großmutter präsentieren
konnte. In seiner Einleitung betont er, dass es uns besonders heute
gut tun werde, zu lesen, was wirkliche Not bedeutet.
Berta Pflanzl, geboren 1882 in Pocking
(Niederbayern) als lediges Kind, wird mit acht Jahren Vollwaise und
muss bereit mit dreizehn Jahren in den Dienst. Als Siebzehnjährige
kommt sie nach Salzburg als Kindermädchen zu den vier Kindern des
Mundartdichters Otto Pflanzl, dem als Leiter des Filialbüros der
Stieglbrauerei eine Dienstwohnung in der Festungsgasse zur Verfügung
stand. Als dessen Frau im Kindbett stirbt, heiratet sie im Jahr 1900
den doppelt so alten Witwer und bekommt in den folgenden Jahren noch
sechs eigene Kinder, von denen aber nur drei den Lebensabend der
Mutter überleben sollten.
Berta Pflanzls Kindheitswunsch war es,
eine „Frau in Österreich“ zu werden. In diesem mitreißenden und
spannenden Buch dürfen wir sie auf ihrem Weg begleiten, denn
schonungslos hielt sie in ihren Tagebüchern fest, was der Tag an
Freud und Leid brachte: Hunger und Elend der Kriege und
Nachkriegsjahre, Inflation und politische Unruhen.
Doch besonders berührend sind ihre
Lebensskizzen, wenn es um die alltägliche Dinge geht. So erinnert
sie sich bis ins kleinste Detail an ihren Hochzeitstag, sie
schildert uns Schleier und Brautstrauß und selbst die etwas
merkwürdige Hochzeitsnacht. Bestechend ist die absolute Ehrlichkeit,
mit der alles niedergeschrieben wurde: die Streitigkeiten mit ihrem
Mann, ihre wohl nicht unbegründete Eifersucht, die Probleme mit
ihren Stiefkindern. Und so beginnt immer wieder eine Eintragung mit
den Worten: „Viel Verdruss heute.“ Aber auch die heiteren und
glücklichen Momente hat Berta Pflanzl in oft wunderbar poetischen
Sätzen festgehalten.
Ein besonderer Dank gilt Robert H.
Pflanzl, dem Herausgeber und Enkel von Berta Pflanzl, der durch
seine sicherlich äußerst zeitaufwendige Ordnungsarbeit dieses
thematisch wunderbar gegliederte Buch ermöglicht hat. Es sei jedem
Salzburger zur Lektüre empfohlen, denn es macht Salzburger
Geschichte lebendig und ist ein wahres Lesevergnügen.
Textauszug:
Bertas Tagebuch – 8.März 1919
Wenn ich so meine weißen
durchsichtigen abgemagerten Hände betrachte – was hatte ich für
mollige Hände voll von Grübchen. Wie oft bewunderte man sie? Und als
ich im Mai 1898 nach Gastein ging, meinte die Baronin Schider: „Du
hast ja Hände wie eine Aristokratin, du musst nicht viel arbeiten“.
Und doch haben diese Hände arbeiten müssen, grob und schwer von der
frühesten Jugend an.
Ich war noch fast ein Kind, seit dem
13.Lebensjahr unter fremden Menschen ausgenützt bis auf das Letzte.
Die Männer sahen mich schon immer mit vielsagenden Blicken an und
ich freute mich in meiner so großen Bescheidenheit und Armut, wenn
sie mir sagten, ich sei ein so schönes Mädl und bräuchte nicht
arbeiten, ich könnte ein schönes Leben bekommen usw. Viele wollten
mich auf ihre Seite bringen in dieser Art. Diese Bestien glaubten,
wenn man arm ist, kann man auch moralisch minderwertig sein. Aber
sie täuschten sich alle.