Dr.
Friedrich Lepperdinger
Die braune Trommel
Bürmoos 1938-1945
Herausgeber:
Torferneuerungsverein Bürmoos (2005)
195 Seiten, 15€
Dr.
Friedrich Lepperdinger, Autor mehrerer Bücher über Bürmoos, stieß bei
seinen Recherchen zur Geschichte von Bürmoos auf die Schulchronik der
Volksschule, die vollständig erhalten ist. Das ist insofern
bemerkenswert, da in vielen Gemeinden die Chroniken aus der Zeit
zwischen 1938 bis 1945 bei Kriegsende vernichtet wurden.
Dr.
Lepperdinger (Jahrgang 1927) wuchs am Ortsrand von Bürmoos auf. In
seinem Buch „Die braune Trommel“ stellt der Autor der Schulchronik
seine Erinnerungen an diese Zeit gegenüber. 1938 war Bürmoos eine
kleine Arbeitersiedlung, etwas mehr als 1.100 Einwohner, weitab von
den großen Machtzentren, den bedeutenden Städten. Das Leben war von
Armut und Elend geprägt – seit Jahren gab es keine Arbeit.
Die
Schulchronik beginnt mit dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich
im März 1938. Sie belegt, wie schnell gleichgeschaltet wurde.
Innerhalb von 10 Tagen wurden die Beamten in der Schulbehörde in
Salzburg ausgewechselt, in Bürmoos eine Mädchen- und eine
Knabenjungvolkgruppe, eine Hitlerjugend und ein Bund Deutscher Mädel
gegründet. Ab dem Schuljahr 1938/39 ist die Chronik angefüllt mit
Berichten über „Feierstunden“ – immer mit Flaggenhissung und dem
Absingen einschlägiger Nazi-Lieder. Ebenso wurden Eintragungen und
Kommentare über die weltpolitischen Ereignisse gemacht.
Die
Schulchronik ist in 24 Abschnitte gegliedert, an deren Ende der Autor
jeweils seine Erinnerungen anfügt. Es gab plötzlich wieder Arbeit, man
konnte sich wieder Lebensmittel und Kleidung leisten. Es war wieder
möglich zum Arzt zu gehen, denn man war wieder krankenversichert. Man
konnte wieder am Haus „etwas richten“. Er schildert die Begeisterung
der Buben für die „Helden“, das Leben mit Bezugsscheinen für
Lebensmittel, Kleidung, Seife, Benzin ab 1939. Wie nach und nach die
wehrfähigen Männer eingezogen werden, und für die Familien das bange
Warten auf Post vom Vater, Bruder, Sohn beginnt. Wie die Bauern als
Ersatz für die fehlenden Arbeitskräfte belgische, polnische und
serbische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter zugeteilt bekommen. Wie
russische Kriegsgefangene für Bauarbeiten an der Lokalbahn eingesetzt
werden. Wie für die Schüler und Lehrer in den Sommerferien der
Arbeitseinsatz Pflicht wird. Wie die Viehhaltung der Bauern
kontrolliert wird, um „Schwarzschlachtungen“ zu verhindern. Wie die
Menschen aus der Stadt bei den Bauern Lebensmittel „schwarz“ kaufen
und in der Lokalbahn die Gestapo die Rücksäcke und Taschen
kontrolliert und jene abführt, die sich Lebensmitteln bei Bauern
besorgt haben.
Dr.
Lepperdinger gelingt mit seinen ausführlichen Schilderungen die
Atmosphäre des Alltags, das Lebensgefühl zu vermitteln – besonders die
vielen kleinen Details in seinen Erzählungen machen das damalige Leben
greifbar.
„Die braune Trommel“ ist vor allem ein Buch für diejenigen, die später
geboren wurden.
Es
zeigt, wie das Nazi-Regime in kleinen Orten und Gemeinden das Leben
der Menschen bestimmte und kontrollierte, und ein Teil des Alltags
wurde. Dieses Buch veranschaulicht in einfachen Worten und ohne
Pathos, wie die Menschen lebten, und wie Nazi-Diktatur und Weltkrieg
den Alltag der Menschen prägten.
27.05.2005
Michaela
Essler, Dorfzeitung
Der Amts- und Schulgruß ist von nun an „Heil Hitler“, mit dieser
Mitteilung aus der Schulchronik von Bürmoos beginnt Fritz
Lepperdinger sein Buch „Die Braune Trommel“ und endet mit dem
lapidaren Satz aus der Schulchronik: „Schluss der Nazi Zeit“.
Dr.
Fritz Lepperdinger, 1927 in Obereching geboren, begleitet die
nüchternen Sätze aus den Aufzeichnungen des Oberlehrers mit seinen
persönlichen Erinnerungen an die Zeit zwischen 1938 und 1945.
„Folgten wir nicht blindlings den Trommeln wie im Märchen die Kinder
den Schalmeien des Rattenfängers von Hameln?“, resümiert der Autor in
seinem Vorwort. Die Begeisterung für den zukünftigen Weg ist groß. Ein
junger Bürmooser ist so unbändig glücklich über die neue kommende
Zeit, dass er seine Freude bei einem Sommerfest lauthals in den Wald
hineinbrüllt. Derselbe junge Mann wird Jahre später auf einem der
vielen Schlachtfelder zu Tode kommen.
Die neue Ära beginnt in der Flachgauer Gemeinde Bürmoos damit, dass
die Menschen plötzlich wieder Arbeit haben, z.B. durch Bauaufträge.
Die kleine Schule Bürmoos wird mit neuen Lehrmitteln ausgestattet,
eine Ecke des Schulraumes mit Hitlerbild und Hakenkreuzfähnchen
geschmückt und das Schulgebet wird durch Aussprüche des Führers
ersetzt.
Nicht nur in der Schule wird im Unterricht Zahnpflege eingeführt,
sondern auch die Mutter des Autors kann zum ersten Mal einen Zahnarzt
aufsuchen. Kinder werden zum „Auffüttern“ ins Reich verschickt, auch
der Schüler Fritz Lepperdinger landet in einem Kinderheim auf der
Insel Rügen und nimmt ein paar Kilo zu.
Es
gibt die ersten mechanischen Spielsachen zu kaufen, z. B. kleine
Kriegsmaschinen aus Blech, 1939 ist Krieg noch ein Kinderspiel. Ab
1941 landen diese Spielsachen bei den ständigen Altmetallsammlungen,
um echte Kriegsgeräte herzustellen. Aus Spiel ist Ernst geworden.
Was
durchgehend auffällt, ist die große Technikbegeisterung der
Bevölkerung. Der erste Opel in Bürmoos ist eine vielbestaunte
Sensation! Spannend zu lesen ist auch sein Bericht über die
durchgehende mediale Propaganda und politische Betreuung der Menschen
über Funk, Film, Radio. Die Schüler von Bürmoos gehen zu Fuß oder
fahren mit dem Rad nach Lamprechtshausen und sehen Filme über die
geführten Schlachten. Erste Aktionen wie die „Heimholung der
Sudentdeutschen ins Reich“ werden in der Schulchronik mit Begeisterung
berichtet, der Führer als der bedeutendste Staatsmann Europas gerühmt.
Im Thalleitlgütl, dem Heimathaus des Autors, trifft man sich zum
Politisieren, manche schütteln den Kopf, andere sind hochbegeistert.
1939 erste Berichte über Verdunklungen, Luftschutz und
Unterrichtsausfall wegen Bombardierungen. Nach dem Russlandfeldzug
kommen die ersten Kriegsgefangenen zur Arbeit in den nördlichen
Flachgau. Die Lebensmittelkarten stehen plötzlich im krassen Gegensatz
zum Überfluss an Waren, die kurz nach dem Anschluss im Handel
erhältlich waren.
Fritz Lepperdinger besucht nach der Hauptschule die
Lehrerbildungsanstalt, wo es - seiner heute reflektierten Meinung nach
- eher auf politische Gesinnungstreue als auf bestimmte Fähigkeiten
ankommt. Fritz Lepperdinger hält sich selbst für musikalisch nicht so
begabt und hat Angst vor einer diesbezüglichen Prüfung. Als er aber
aus der Not heraus ein Lied, das er seit Jahren zu singen gewohnt ist,
das Horst-Wessel Lied, vorträgt, wird er in die Ausbildungsstätte
aufgenommen. Solche persönlichen Beobachtungen machen den Reiz und
die Bedeutung dieser Erinnerungen aus.
Der
Pädagoge Fritz Lepperdinger schreibt ein Buch, in dem er die
„Nazi-Zeit“ aus zeitlichem Abstand als interessierter Beobachter
reflektiert und er versucht eine persönliche Antwort zu geben, die
Verständnis für diese Zeit mit einschließt.
Ulrike
Guggenberger, Dorfzeitung
28. 05. 2005
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