Dorfzeitung 145x80
Startseite
Feuilleton
Zeitgeschehen
 Lebensräume

Galerie
Musik
Theater
Literatur

Weballianzen
Dorfplatz
Archiv
Impressum
Tierärztliche Praxisgemeinschaft

Foto: KTraintinger


Salzburg Stadt Schiff-Fahrt
„Amadeus Salzburg“

Wohlbeleibte ältere Damen und Herren germanischen Ursprungs, wohlbeleibte Damen und Herren jeden Alters amerikanischen Ursprungs, honorige Damen und Herren in eleganter Sommerbekleidung, gebräunte oder auch milchige Menschen jeden Alters in Shorts und T-Shirt aus zahlreichen Nationen – alle ausgerüstet mit Fotoapparat und Stadtführer: es ist August und Salzburg trieft von Touristen.

Salzburg: Festspielstadt und Weltkulturerbe. Vereinzelt oder gruppiert schwitzen sich die Besucher durch die Straßen und Gassen. Wortfetzen unzähliger Sprachen treffen die Ohren der mutigen Eingeborenen, die sich in diesen Wochen in die Altstadt wagen. Mozart, Sound of Music, Festspiele – es gibt viele Gründe nach Salzburg zu kommen.

Seit zwei Jahren ist Salzburg um eine Attraktion reicher: „Amadeus Salzburg“ heißt sie, ist 16,4 m lang und knapp
6 m breit. Im Stundentakt können Rundfahrten auf der Salzach gebucht werden.

Langsam nähert sich das Schiff der Salzachinsel beim Makartsteg, dreht sich, und legt an. Gemächlich schleppen sich die Fahrgäste die Treppen zum Kai hinauf. Anspannung macht sich unter den Wartenden breit. Jetzt, gleich wird die Absperrung geöffnet. Gelassen, fast gelangweilt, beobachten Kapitän und Bordpersonal das Treiben. Begleitet von forscher Ziehharmonika-Musik tröpfeln nach und nach die Fahrgäste herein, verteilen sich auf die 60 Sitzplätze, während „Rosamunde“ aus den Lautsprechern herabrieselt.

Dann werden die Türen geschlossen, die beiden Dieselmotoren mit je 350 PS bringen das Schiff in Fahrt, übertönen das Sprachenbabel an Bord, lassen es kurz zu einem leisen Gemurmel absinken. Unter dem Makartsteg durch, geht es langsam flussaufwärts. Für die Buben gibt es Piraten-Utensilien: Augenklappe, Fernrohr, Kopftuch – ein Hauch von Abenteuer.

Nun tönt keine Musik mehr aus den Lautsprechern. Eine Tonbandstimme erzählt vom letzten Passagierschiff, das 1891 seinen Betrieb einstellte, und von der „Amadeus Salzburg“, einer Spezialkonstruktion aus Aluminium.

Aber nicht für alle Fahrgäste ist dies von Interesse. Eine füllige Brünette und eine schlanke Blonde haben etwas viel Aufregenderes entdeckt – ihre Sitznachbarn, ein italienisches Pärchen. Die beiden Amerikanerinnen sind mit den Italienern schnell in ein lautstarkes Gespräch vertieft. Sie sind aus New York, und wie „wonderful“, daß sie hier Italiener kennen lernen. Sie lieben Italien, und wo die beiden denn zu Hause sind? „Oh my God, it’s so wonderful, Oh my God“. Sie spreche ja nur wenig Italienisch aber “Oh my God”, sie liebt die Italiener. Während das Schiff an den Häusern der Altstadt langsam vorüberzieht, entspinnt sich ein wildes italienisch-amerikanisches Sprach-Durcheinander, begleitet von aufgeregtem Lachen, das sich überwiegend in den oberen Oktaven tummelt – hysterischem Gegacker nicht unähnlich.

Mühsam kämpft die Tonbandstimme gegen diese Lärmkulisse an. Die Wortfetzen, die noch zu hören sind, erzählen von der Geschichte Salzburgs, von der Salzachschiffahrt vergangener Jahrhunderte und den Erzbischöfen. Auch von der Salzach aus zeigt Salzburg seine Schönheit. Die alten Bürgerhäuser, die sich entlang des Flusses aneinander reihen, scheinen unbewegt auf den Fluß herabzublicken. Zeugen von Reichtum und ehemaliger Blüte, bevor sich Salzburg fest im Griff von Festspielen und Touristen befand. Die Ruhe des Flusses läßt für kurze Zeit das Gewühle in der Stadt vergessen.

„Incredibile!!“ jault es begeistert auf. Nein, nicht die Landschaft, nicht die Architektur und auch nicht die Musik Mozarts, die nun aus dem Lautsprecher tönt, ruft diese Begeisterung bei den Amerikanerinnen hervor – es ist das Gespräch mit den Italienern. Für die Stadt und ihre Schönheit haben die vier keine Augen.

Kurz nach der Nonntaler Brücke wendet das Schiff und beginnt seinen Rückweg.

Nach 40 Minuten nähert sich die „Amadeus Salzburg“ wieder ihrer Anlegestelle am Makartsteg. Kurz vor dem Anlegen erreicht die musikalische Untermalung ihren Höhepunkt: der „Donauwalzer“ erklingt.

Bedauerlich, bedauerlich, aber Johann Strauß hatte es leider verabsäumt einen „Salzachwalzer“ zu komponieren. Da muß man sich eben anders behelfen. Aber das macht ja nichts – ist eh alles Österreich. Unbeeindruckt von den Walzerklängen erreicht die amerikanisch-italienische Völkerverständigung ihren Höhepunkt. Das Gespräch hat sich den amerikanischen Kulturgütern zugewandt: blind und taub für alles, was sich um sie herum bewegt, wird angeregt über Miami Vice und Baywatch geplaudert.

Das Schiff legt an, die Fahrgäste machen sich auf ihren Weg zum Kai hinauf. Das Schiff leert sich nach und nach. Die Nächsten warten schon, stehen schwitzend an der Absperrung. Und es ist zu vermuten, daß zumindest die meisten diese Rundfahrt machen, weil sie auch für kurze Zeit Salzburg aus einer anderen Perspektive sehen möchten.

08.08.2004

Michaela Essler,  Dorfzeitung


Das Urheberrecht für alle Texte, Bilder und Fotos liegt bei den AutorInnen.
Die Verwendung des, auf dieser Seite veröffentlichte Bild- und Textmaterials,
ist ohne ausdrückliche Genehmigung durch die AutorInnen untersagt.

Fotos: KTraintinger