Salzburg Stadt Schiff-Fahrt
„Amadeus Salzburg“
Wohlbeleibte ältere Damen und Herren germanischen Ursprungs, wohlbeleibte
Damen und Herren jeden Alters amerikanischen Ursprungs, honorige Damen und
Herren in eleganter Sommerbekleidung, gebräunte oder auch milchige
Menschen jeden Alters in Shorts und T-Shirt aus zahlreichen Nationen –
alle ausgerüstet mit Fotoapparat und Stadtführer: es ist August und
Salzburg trieft von Touristen.
Salzburg: Festspielstadt und Weltkulturerbe. Vereinzelt oder
gruppiert schwitzen sich die Besucher durch die Straßen und Gassen.
Wortfetzen unzähliger Sprachen treffen die Ohren der mutigen Eingeborenen,
die sich in diesen Wochen in die Altstadt wagen. Mozart, Sound of Music,
Festspiele – es gibt viele Gründe nach Salzburg zu kommen.
Seit zwei Jahren ist Salzburg um eine Attraktion reicher: „Amadeus
Salzburg“ heißt sie, ist 16,4 m lang und knapp
6 m breit. Im Stundentakt können Rundfahrten auf der Salzach gebucht
werden.
Langsam nähert sich das Schiff der Salzachinsel beim Makartsteg,
dreht sich, und legt an. Gemächlich schleppen sich die Fahrgäste die
Treppen zum Kai hinauf. Anspannung macht sich unter den Wartenden breit.
Jetzt, gleich wird die Absperrung geöffnet. Gelassen, fast gelangweilt,
beobachten Kapitän und Bordpersonal das Treiben. Begleitet von forscher
Ziehharmonika-Musik tröpfeln nach und nach die Fahrgäste herein, verteilen
sich auf die 60 Sitzplätze, während „Rosamunde“ aus den Lautsprechern
herabrieselt.
Dann werden die Türen geschlossen, die beiden Dieselmotoren mit je
350 PS bringen das Schiff in Fahrt, übertönen das Sprachenbabel an Bord,
lassen es kurz zu einem leisen Gemurmel absinken. Unter dem Makartsteg
durch, geht es langsam flussaufwärts. Für die Buben gibt es
Piraten-Utensilien: Augenklappe, Fernrohr, Kopftuch – ein Hauch von
Abenteuer.
Nun tönt keine Musik mehr aus den Lautsprechern. Eine Tonbandstimme
erzählt vom letzten Passagierschiff, das 1891 seinen Betrieb einstellte,
und von der „Amadeus Salzburg“, einer Spezialkonstruktion aus Aluminium.
Aber nicht für alle Fahrgäste ist dies von Interesse. Eine füllige
Brünette und eine schlanke Blonde haben etwas viel Aufregenderes entdeckt
– ihre Sitznachbarn, ein italienisches Pärchen. Die beiden Amerikanerinnen
sind mit den Italienern schnell in ein lautstarkes Gespräch vertieft. Sie
sind aus New York, und wie „wonderful“, daß sie hier Italiener kennen
lernen. Sie lieben Italien, und wo die beiden denn zu Hause sind?
„Oh my God, it’s so wonderful, Oh my God“.
Sie spreche ja nur wenig Italienisch aber “Oh
my God”, sie liebt die Italiener. Während das Schiff an den Häusern der
Altstadt langsam vorüberzieht, entspinnt sich ein wildes
italienisch-amerikanisches Sprach-Durcheinander, begleitet von aufgeregtem
Lachen, das sich überwiegend in den oberen Oktaven tummelt – hysterischem
Gegacker nicht unähnlich.
Mühsam kämpft die Tonbandstimme gegen diese Lärmkulisse an. Die
Wortfetzen, die noch zu hören sind, erzählen von der Geschichte Salzburgs,
von der Salzachschiffahrt vergangener Jahrhunderte und den Erzbischöfen.
Auch von der Salzach aus zeigt Salzburg seine Schönheit. Die alten
Bürgerhäuser, die sich entlang des Flusses aneinander reihen, scheinen
unbewegt auf den Fluß herabzublicken. Zeugen von Reichtum und ehemaliger
Blüte, bevor sich Salzburg fest im Griff von Festspielen und Touristen
befand. Die Ruhe des Flusses läßt für kurze Zeit das Gewühle in der Stadt
vergessen.
„Incredibile!!“ jault es begeistert auf. Nein, nicht die
Landschaft, nicht die Architektur und auch nicht die Musik Mozarts, die
nun aus dem Lautsprecher tönt, ruft diese Begeisterung bei den
Amerikanerinnen hervor – es ist das Gespräch mit den Italienern. Für die
Stadt und ihre Schönheit haben die vier keine Augen.
Kurz nach der Nonntaler Brücke wendet das Schiff und beginnt seinen
Rückweg.
Nach 40 Minuten nähert sich die „Amadeus Salzburg“ wieder ihrer
Anlegestelle am Makartsteg. Kurz vor dem Anlegen erreicht die musikalische
Untermalung ihren Höhepunkt: der „Donauwalzer“ erklingt.
Bedauerlich, bedauerlich, aber Johann Strauß hatte es leider
verabsäumt einen „Salzachwalzer“ zu komponieren. Da muß man sich eben
anders behelfen. Aber das macht ja nichts – ist eh alles Österreich.
Unbeeindruckt von den Walzerklängen erreicht die amerikanisch-italienische
Völkerverständigung ihren Höhepunkt. Das Gespräch hat sich den
amerikanischen Kulturgütern zugewandt: blind und taub für alles, was sich
um sie herum bewegt, wird angeregt über Miami Vice und Baywatch
geplaudert.
Das Schiff legt an, die Fahrgäste machen sich auf ihren Weg zum Kai
hinauf. Das Schiff leert sich nach und nach. Die Nächsten warten schon,
stehen schwitzend an der Absperrung. Und es ist zu vermuten, daß zumindest
die meisten diese Rundfahrt machen, weil sie auch für kurze Zeit Salzburg
aus einer anderen Perspektive sehen möchten.
08.08.2004
Michaela Essler,
Dorfzeitung
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