Sonnenblume im Morgenfrost
Alois Schöpf
Der Landmensch als nützlicher Idiot des Stadtmenschen - Fortsetzung einer
unendlichen Geschichte – Die siebziger Jahre
Anfang der siebziger Jahre übersiedelte
die Redaktion des Fernsehspiels des österreichischen Rundfunks von der
Argentinierstraße im 4. Wiener Gemeindebezirk in die neu erbaute
Betonkathedrale am Küniglberg. Im 4. Stock nach Südwesten hinaus mit Blick
auf die Hügel von Mauer bekam das erste der um ein großzügiges Foyer herum
gruppierten Zimmer Hans Preiner, der Redakteur der Sendereihe „Impulse“.
Sie repräsentierte als Nischen- und Nachtprogramm den künstlerischen
Aufbruch nach 1968 in einer Freiheit und Lockerheit, von der man an den
feudalen Medienhöfen der Gegenwart nur träumen kann. Neben Filmen über die
Beatles, mit und über Otto M. Zykan hatten dort die jungen Absolventen der
neu geschaffenen Filmakademie unter Harald Zusanek ihre erste
Anlaufstelle. Preiner genehmigte ihnen meist ohne viel bürokratische
Umwege und Todesängste ein 100.000.- Schilling Budget, das durch die
Nutzung hausinterner Leistungen vervielfacht werden konnte, und bekam nach
einer gewissen Zeit einen maximal 45-minütigen Film zurück.
So entstanden auch die ersten Folgen der
Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“. Das Buch stammte vom
Magazineur und Buddhisten Ernst Hinterberger. Dazu kam der junge und
ehrgeizige Regisseur Reinhard Schwabenitzky, durch den die Geschichte in
vielen psychologischen Details an Glaubwürdigkeit und Humor gewann. Und
vor allem: Schwabenitzky engagierte Karl Merkatz, der aus Edmund Sackbauer
den Mundl machte, wodurch der eine zu einem neuen Volksschauspieler in der
Tradition Hans Mosers aufstieg, der andere das Pandaimonion Österreichs um
eine brillante Figur erweiterte. In weißem Palmers-Leiberl, Bier trinkend
und krakeelend trat zum ersten Mal ein Prolet vors Publikum, der auf das
Mitleid des Bürgertums und der Intellektuellen nicht angewiesen war, weil
er sein Leben mit brillantem Mundwerk alleine meisterte und lebenswert
fand. In unerschrockener Frechheit machte die Serie sich von allem Anfang
über das hochkulturelle Getue der aufstrebenden Mittelständler in Gestalt
des dichtenden Schwiegersohns Franzi lustig.
Als die ersten beiden Folgen im
Wochenabstand, ziemlich spät am Abend und nur mit 35 Minuten knapp
bemessen, ausgestrahlt wurden, schlugen sie ein wie eine Bombe. Der echte
Wiener ging, wie der Titel verhieß, tatsächlich nicht unter, weitere Teile
wurden bewilligt und von der Experimentalfilmabteilung Hans Preiners ein
Zimmer weiter verlagert, wo Werner Swossil und ich saßen und für die höher
budgetierten Fernsehspiele zuständig waren. So hatte ich bis zu meinem
Ausscheiden aus dem ORF im Jahre 1977 die einmalige Gelegenheit, als
Redakteur mit Hinterberger, vor allem jedoch mit Schwabenitzky zusammen zu
arbeiten.
Trotz heute anders lautender
Beteuerungen und trotz der Wiederholungen der Serie im Zweijahresabstand
wurde der ORF damals vom Erfolg des Mundl vollkommen überrascht. Die
sogenannten Chefs liebten den echten Wiener nie wirklich. Zum einen war
die Idee nicht ihren erlauchten, an bildungsbürgerlicheren Stoffen
orientierten Hirnen entsprungen, zum anderen kamen hier Menschen und
Verhältnisse zu Ehren, die sie, sofern sie sie nicht gerade hinter sich
gelassen hatten, auf ihrem Weg nach oben als genau jenen Krankheitszustand
betrachteten, der für einen in den Mittelstand aufsteigenden
Medienangestellten als Beweis eines missglückten Lebensentwurfs angesehen
werden musste.
Die Folge dieser mangelnden Gegenliebe
war denn auch, dass das Mundl-Team nicht wie etwa in den USA auf Händen
getragen wurde, weil man dort auch noch nach der dreihundertsten Folge
Geld verdient und die ganze Welt unterhalten hätte. Im Gegenteil, da der
Erfolg nicht nachließ, die Serie mit Publikumspreisen bedacht wurde und
sich also nicht selbst erledigte, wie das bei vielen im ersten Moment
erfolgreichen Produkten des Fernsehen der Fall ist, wurden nach zähen
Verhandlungen immer nur Viererpakete neuer Folgen bewilligt. Das nervte
und demotivierte Schwabenitzky zuletzt derart, dass er die Produktion
seinem Assistenten Kurt Ockermüller überließ und nach Deutschland abzog.
Er mag als Exekutionsmaschine seiner angeblich lustigen Gattin Elfi Eschke
später noch so viel Schwachsinn in die Welt gesetzt haben, beim Mundl war
er nicht nur grandios, sondern er muss durch das Zusammenführung von
Hinterberger und Merkatz als sein eigentlicher Erfinder gewürdigt werden.
Um auf die hausinterne Liebe zu den
eigenen Hervorbringungen zurück zu kommen: Sie galt in erster Linie der
„Alpensaga“, die Werner Swossil als Redakteur betreute, während ich neben
ihm sitzend mit der Verwaltung des „Mundl“ beschäftigt war. Daher kann ich
es auch bezeugen: Die Alpensaga ist dem ORF und Österreich nicht passiert.
Dies deutet übrigens auch Wilhelm Pevny, einer der Alpensaga-Autoren, an,
wenn er im Vorwort der Buchgausgabe schreibt: „Die Alpensaga war nicht von
vornherein mein Thema. Eine Familienchronik über das Wiener Proletariat
wäre es gewesen. Aber die Fernsehgewaltigen wollten etwas Ländliches.“
Erklärlich wird diese kuriose Aussage
des Autors für jeden, der die exzellent geschriebenen Memoiren des
Großbürgers Bruno Kreisky gelesen hat. Wenn man nämlich bedenkt, dass die
österreichischen Sozialdemokraten von der Volkspartei über Jahrzehnte
erfolgreich durch das Gespenst der „roten Katze“ und damit durch die
Androhung einer kommunistischen Machtübernahme bei den Wahlen besiegt
worden waren, und wenn man ferner bedenkt, dass es Kreisky zum ersten Mal
gelang, durch den Slogan, eine Strecke des Weges gemeinsam zu gehen,
Anhänger im bürgerlichen Lager zu gewinnen, so liegt klar auf der Hand,
weshalb die Wendekultur der siebziger Jahre so gar nicht sozialistisch und
so ganz und gar nach dem Geschmack der Höheren Töchter, also, heute würde
man sagen, verrettet und damit verrottet ausfallen musste. Ihre Aufgabe
bestand eben nicht darin, im Geiste Edmund Sackbauers der arbeitenden
Bevölkerung zu einer neuen und stolzen Identität zu verhelfen und damit
jene linksliberalen Hedonisten zu verschrecken, die Kreisky zur absoluten
Mehrheit verhalfen, sondern vielmehr darin, über die Kultur den Beweis zu
führen, dass sich an der josephinischen Bürgerlichkeit Österreichs nichts
ändern würde. Dies gelang umso leichter, als das Ziel der meisten, die in
die Kulturszene nachrückten, ebenfalls darin bestand, allfällige ärmliche
Herkünfte schleunigst durch eine Karriere im Sinne der neuen Aufsteiger
Androsch, Poldi Gratz oder auch des senkrecht begraben sein wollenden Udo
Proksch vergessen zu machen. Der hoch subventionierte Residenzverlag mit
den gedruckten Sprachzweifeln einer durch den gesellschaftlichen Aufstieg
stammelnden Schriftstellergeneration wurde dabei ebenso zum Symbol der
Kontinuität wie der weiterhin anwachsende Ruhm der Salzburger Festspiele
im Schatten Herbert von Karajans.
Die Konsequenz, mit der sich Kreisky
gegen links, vor allem gegenüber dem VSSTÖ abgrenzte, um sein rechtes
Wählerpotential nicht zu verlieren, ist geschichtlich vielfach belegt.
Zugleich bestand zugleich nach Jahrzehnten einer reaktionären und
klerikalen Kultur- und Gesellschaftspolitik natürlich ein enormer
Reformbedarf, der vom Straf- und Eherecht bis zur Strafffreistellung der
Abtreibung reichte. Man darf nicht vergessen, dass zur damaligen Zeit ein
Zimmervermieter, der einem unverheirateten Paar die Nächtigung erlaubte,
wegen Kuppelei belangt werden konnte. Dass in Tirol Kritik am
Fremdenverkehr einen strafrechtlich verfolgbaren Tatbestand ergab und dass
Frauen ohne Genehmigung ihrer Ehemänner nicht einen Job annehmen durften,
ganz abgesehen davon, dass sie wie die Schwulen bis vor kurzer Zeit ins
Gefängnis wandern konnten, wenn sie bei einer Abtreibung erwischt wurden.
Bewehrt mit Betschwestern, Schützen- und
Blasmusikfunktionären, die im katholischen Ständestaat oder im
Nationalsozialismus ihre Sozialisation erfahren hatten, verteidigten die
Bürgerlichen in verzweifelter Abwehr gegen die Urbanisierung und
Aufklärung eine Welt, deren Versatzstücke aus den Kitschromanen eines
Reimmichl, Ganghofer, Greinz oder Waggerl stammten. Hier galt es nun
strategisch einzugreifen und die Mythen der heilen Bauernwelt jenen
Wählerschichten gegenüber zu desavouieren, die sich auf ihrem Weg in die
Moderne noch nicht entscheiden konnten, ob sie den erinnerten Idyllen
ihrer Jugend oder den Verheißungen der Zukunft in Gestalt einer von der
Religion des Marxismus emanzipierten Sozialdemokratie mehr trauen sollten.
Solchen Tendenzen kam die Tatsache
entgegen, dass von all jenen, die der rechte Gerd Bacher in den ORF geholt
hatte, in hektischer Anbiederung nun auf links gemacht wurde, um den
Machtwechsel zu überleben. Die Ästhetik des großen und schönen Films blieb
dabei selbstverständlich erhalten. Denn es ging ja nicht darum, eine neue
proletarische Kultur zu implementieren, sondern lediglich darum, das
mythische Zentrum des politischen Gegners, die heile Welt des Ruralen, den
edlen Wilden nach Rousseau, die touristische Verheißung der Gegenwart, das
ferne Heidi-Land mit den Mitteln der bürgerlichen Formensprache als
Lebensentwurf auszuschalten und die Menschen vom Land, so gut wie sie
früher als heilige Trottel dargestellt worden waren, nun als bestialische
Täter oder geschundene Opfer vorzuführen.
Aus dieser Sicht verwundert es auch
nicht, dass im Gegensatz zur Mundl-Serie die „Alpensaga“ von den
pragmatisierten Schauspielern der öffentlichen Theater wesentlich
mitgetragen wurde, und das Wiener Filmestablishment, sofern es Gunther
Philip und Peter Alexander überlebt hatte, das Beste ins Renne schickte,
das es zu bieten hatte. Jetzt galt es, durch das Medium des zeitgeistig
linken Heimatromans die Errungenschaften des Sozialismus gegen die dunklen
Mächte des Landes zu verteidigen und damit jene Grundlagen zu schaffen,
die dreißig ungestörte Jahre realsozialistischer Subventionspolitik
garantierten.
Die Ausstrahlung der „Alpensaga“ war ein
Ereignis, das durch den dummen Protest der Landwirtschaftskammern die
zusätzliche Würdigung erfuhr, widerständig zu sein und den Kern der Sache
erfasst zu haben. Niemandem fiel damals auf, dass die Serie gar nicht in
den Alpen spielte, weil dies den Schauspielern die Möglichkeit genommen
hätte, am Abend in Wien aufzutreten, weshalb man ins nahe gelegene und
später auch vom Staatsopernlibrettisten und Alpensaga-Autor Turrini
bevorzugte Sommerfrische-Gebiet Inn- und Waldviertel auswich. Und
niemanden störte es, dass der Erfolg beim Publikum nur mäßig war, was
damit begründet wurde, dass sich die reaktionäre Seele des Österreichers
eben gegen das Licht der Wahrheit sträube. Und niemand bemerkte, was
heute, nach bald dreißig Jahren, bei der verschämten
Spätnachtswiederholung der Serie so klar zu Tage trat: dass die so
genannte ländliche Bevölkerung wieder einmal schamlos zu politisch
ideologischen Zwecken missbraucht worden war. Der Unterschied zwischen
sowjetischen Machwerken ähnlicher Tendenz und der österreichische
Spätgeburt aus dem Geiste der siebziger Jahre bestand bestenfalls darin,
dass die Entkulakisierungskampgane, denen unter Stalin Millionen real zum
Opfer fielen, hier am Schreibtisch, im Sinne fundamentalbolschewistischer
Wiederbetätigung noch einmal vollzogen wurde.
Das Erschütternde an der „Alpensaga“ ist
die Konsequenz, mit der mitten in einer Demokratie dem politischen Gegner
jegliche Menschlichkeit, das bedeutet, jede Selbstreferenz und Würde
seines je eigenen und anderen Lebens abgesprochen wird und mit welcher
Konsequenz angeblich an marxistischen Grundsätzen orientierte Autoren eine
über Jahrhunderte von Adel und Kirche unterdrückte Gesellschaftsklasse als
Herrscherin über Produktionsmittel und damit selbst als autochtone
Unterdrückerin deklassieren. Der süße Kitsch der Ganghofer wird zum sauren
Kitsch des neuen Heimatromans, in dem die komplexe Struktur des
menschlichen Lebens so wenig Chancen hat wie eh und je. Aus dem Dorf wird,
wie Peter Turrini im Vorwort zur Buchausgabe schreibt, eine
Produktionseinheit und damit als vulgärmarxistisches Modell in das
Fortschreiten der Geschichte bis zur klassenlosen Gesellschaft hin
eingespannt. Es versteht sich, dass dabei diejenigen, die dem Lauf der
Geschichte im Weg stehen, Bestien sind.
Der patriarchalische, gewalttätige
Großbauer Allinger etwa, dessen Gier als räuberischer Kapitalist
comicartig schon durch den Namen angedeutet wird und der eine vom guten
Lehrer, sprich dem guten Intellektuellen betriebene Genossenschaft
hintertreibt, bekommt von den Autoren folgenden Erstauftritt verpasst.
„In der Küche des bäuerlichen Gutes.
Eine Bäuerin schaut aus dem Fenster und sieht, wie der Mann auf das Haus
zukommt. Ein junger Bursch rennt aus der Küche. Die Bäuerin läuft
aufgeregt zum Schrank, nimmt einen Teller, geht damit zum Herd und schöpft
Suppe in den Teller. Die Tür geht auf. Der Mann kommt polternd herein.
Hinter ihm der junge Bursch.
Der Mann (schreit und lacht): Leck mi am
Arsch, mit hams. Zuckerfabrik Allinger, jetzt stehts.
Der Großbauer Allinger zieht seinen
Mantel aus und geht zielstrebig zum Tisch. Der junge Bursch hängt den
Mantel an die Tür. Die Bäuerin bringt schnell die Suppe.
Er schlägt ihr auf den Hintern und setzt sich nieder.
Allinger: Na Weib, hättest dir aa nie gedacht, dass aus mir amal a
Fabrikant wird.
Er schlürft einen Löffel Suppe und murmelt automatisch.
Allinger: Vergelts Gott, in Ewigkeit. Amen.
Im Innenhof. Peter Allinger rennt
keuchend ins Haus. Er kommt in die Küche und schließt schnell die Tür. Er
ist vollkommen außer Atem. Die Bäuerin und der junge Bursch schauen ihn
an. Der Großbauer Allinger sitzt am Tisch und schlürft die Suppe. Kurzes
Schweigen.
Allinger: Was brauch ma, sag i zu dem Stadtfrack. Bauholz? Hab i. Leut?
Krieg i. Guat, sagt der Kommerzialrat, ich investiere.
Allinger frisst und schlürft.
Allinger: Aber woher wollen Sie die Felder für die Rüben hernehmen? Eine
Zuckerfabrik braucht doch riesige Anbauflächen? Schau i ihn an und sag:
Wieviel brauch ma? Zehne? Zwanzig? Oder fünfzigtausend Joch?
Allinger frisst und schlürft. Die Bäuerin, der junge Bursch und Peter
schauen ihn an. Schweigen.
Allinger: Und woher nimm i de?
Allinger frisst und schlürft.
Allinger (ohne aufzuschauen): Peter?
Peter steht an der Tür und schaut ängstlich auf seinen Vater. Schweigen.
Plötzlich springt Allinger auf und geht schnell auf Peter zu. Peter duckt
sich. Allinger packt Peter am Hinterkopf und schleift ihn zum Fenster. Er
drückt seinen Kopf an die Fensterscheibe. Man sieht das weite Land.
Allinger: Was siehst?
Peters Gesicht ist platt an die Fensterscheibe gedrückt. Allinger lacht
und stößt seinen Kopf gegen das Fenster.
Allinger: De Gründ von die Bauern. De krieg ma.“
Aus: Alpensaga, Salzburg 1980
Höchst aufschlussreich ist auch, dass
Regisseur und Autoren, die selbst gerade zeitgeistig mit offenen
Beziehungen experimentierten, wie Peter Henisch es in seinem wunderschönen
Roman „Der Mai ist vorbei“ beschrieben hat, das Paarungsverhalten derer
vom Land in einer Mischung aus oberflächlicher Siegmund Freud Lektüre und
einem Besuch im Schönbrunner Zoo, der für seine sexuell verschrobenen
Affen berühmt war, weit unter dem von Primaten ansiedelten:
„Im Holzklo. Es ist dunkel. Jemand
rüttelt an der Tür.
Anna: Besetzt.
Vitus steht vor der Klotür.
Vitus: Muaßt no lang?
Stille. Vitus pinkelt in den Schnee.
Vitus: Gfall i dir?
Anna schweigt.
Vitus: Hast am Mittwoch Zeit nachn Segn?
Anna schweigt.
Vitus: Muaßt net.
Anna schweigt.
Vitus: Kommst?
Anna schweigt.
Vitus: I wart auf di in der alten Mühl.“
Aus: Alpensaga, Salzburg 1980
Es kann schon sein, dass Peter Turrini
sich, wie er im Vorwort schreibt, im Dorf nie geborgen gefühlt hat. Und es
kann auch sein, dass Wilhelm Pevny vom Land keine Ahnung hatte und lieber
eine Proletariergeschichte geschrieben hätte. Und es kann sein, dass ich,
der ich als Sohn einer tüchtigen Mutter bei Turrini/ Pevny wahrscheinlich
auch Allinger geheißen hätte, die Welt seit fünfzig Jahren falsch sehe,
obgleich ich den Großteil meines Lebens am Land verbracht habe und durch
meine Arbeit als Journalist und Musiker sehr viele Landmenschen aus allen
Schichten und allen Generationen sehr genau kennen gelernt habe. Und es
kann zuletzt auch sein, dass alles, was in der Alpensaga an Schrecklichem
gezeigt wird, irgendwann auch tatsächlich passiert ist: Dennoch kann eine
Saga, die durch ihre Genrebezeichnung schon auf Allgemeingültigkeit pocht,
auf eine gewisses Maß an Gerechtigkeit nicht verzichten und wird daher
immer dort, wo Figuren dazu benützt werden, um ideologische Effekte zu
erzielen, zu fundamentalistischem Kitsch. Dass dem keineswegs, ob von
rechts oder links, immer so sein musste, beweisen als abschließende
Tröstung zwei Autoren, die sicherlich von sehr gegensätzlichen
Standpunkten aus das Leben am Land betrachteten. Dennoch ließen sie den
Menschen, die sie beschrieben, ihr Existenzrecht in gleicher Weise wie
Ernst Hinterberger es seinen Sackbauers ließ. Es ist zum einen der
schreibende Pfarrer Jeremias Gotthelf mit der Erzählung „Die schwarze
Spinnne“ oder seinem Roman „Uli der Knecht“. Und es ist zum anderen der
Kommunist Oscar Maria Graf mit seinem Erinnerungswerk „Das Leben meiner
Mutter“ und dem Erotikon „Das bayerische Decamerone“. Es ist aber auch ein
Friedrich Ch. Zauner mit seinem Werk „Das Ende der Ewigkeit“.
Solche Bücher hindern uns daran, über
den Abgründen der geistigen Korruption zu verzweifeln.
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