Weinrote Wandtapeten, Polsterbänke und –sessel, gedämpfte
Atmosphäre, leises Stimmengemurmel, im Hintergrund dezente Operettenmusik
aus dem Lautsprecher. Im Cafe Sacher in Salzburg erklingt sogar das Läuten
der Mobiltelefone vorsichtig zurückhaltend.
Plötzlich ein lautes Klirren.
Das vollbeladene Tablett mit halbleeren Kaffeetassen, Kuchentellern,
Gläsern und Löffeln landet schwungvoll auf dem Boden. Reste von Kaffee,
Milch und Wasser spritzen über den Teppich, mischen sich mit Scherben und
Glassplittern. Das leise Stimmengemurmel setzt einen Herzschlag lang aus.
Alle blicken gebannt auf den Boden. Das junge Mädchen im schwarzen Kleid
mit Spitzenschürze und Spitzenhäubchen starrt entsetzt auf das Malheur,
wird zuerst blaß, dann steigen schnell rote Flecken im Gesicht auf. Das
leise Stimmengemurmel setzt wieder ein.
Das Kaffeehaus – Zeitung lesen, Kaffee trinken, Leute schauen. Seit
dem 18. Jahrhundert unverzichtbarer Bestandteil österreichischer Kultur.
Seine Glanzzeit erlebte das Kaffeehaus während des Biedermeier. Die
Kaffeehäuser wurden luxuriös mit Lüstern, Plüsch und Silbergeschirr
ausgestattet. Es war geschäftlicher, privater und geselliger Treffpunkt
von Politik, Gesellschaft, Kunst und Literatur.
Die Tür öffnet sich. Ein alter Herr im Lodenmantel gefolgt von
einer stark geschminkten, deutlich jüngeren Dame im dunklen Pelzmantel
betritt das Cafe Sacher. Die beiden steuern langsam und gemächlich einen
freien Tisch an. Der alte Herr ist schon etwas schwach auf den Beinen und
seine Begleitung muß schließlich den Pelzmantel gebührend zur Schau
tragen. Beim Tisch angekommen, landet der Pelzmantel auf einem Sessel. Zum
Vorschein kommt eine üppig gepolsterte Figur: vorne zwei Torpedos, die wie
zum Abschuß bereit ausgerichtet sind, hinten Wölbungen wie bei einer
Polstergarnitur – natürlich in enge Hosen hineingepreßt. Inzwischen hat
das Spitzenhäubchen das Mißgeschick auf dem Boden entfernt. Die hektischen
roten Flecken verschwinden langsam. Dazu erklingt Marschmusik aus den
Lautsprechern und verkündet triumphierend die erfolgreiche Beseitigung der
Ungeschicklichkeit.
Das berühmteste Kaffeehaus in Österreich ist das Hotel Sacher in
Wien. 1876 eröffnete Eduard Sacher das „Hotel de l’Opera“ gegenüber der
Staatsoper, das später auf den Namen „Hotel Sacher“ umbenannt wurde. Der
Name Sacher steht aber nicht nur für ein Cafe, sondern auch für die
weltberühmte Sachertorte. 1832 beauftragte Fürst Metternich seine
Küchenbrigade ein neues Dessert zu kreieren. Da der Chefkoch krank im
Bett lag, wurde der Auftrag dem sechzehnjährigen Kocheleven Franz Sacher
übertragen - der Rest ist Geschichte. Auch in Salzburg gibt es seit ein
paar Jahren ein Hotel Sacher, früher unter dem Namen „Österreichischer
Hof“ bekannt. Noble Festspielgäste, Prominente und der österreichische
Bundespräsident logieren während ihres Aufenthaltes in Salzburg in diesem
Hotel.
Die zwei Torpedos schieben ihr Gewicht in Richtung Damentoilette –
ein paar Risse in der fünfschichtigen Patina bedürfen der dringenden
Reparatur. Im Hintergrund schwingt sich ein Sopran qualvoll in kaum
erträgliche Höhen hinauf. Übertönt schmerzhaft das
Bayrisch-Japanische-Englische-Italienische-Österreichische
Sprachengemisch. Spitzenschürzen huschen mit vollbeladenen Tabletts
vorbei. Die zwei Torpedos schreiten nach durchgeführter Restaurierung
wieder zum Tisch zurück. Inzwischen ist der Sopran auch wieder in die
irdischen Gefilde zurückgekehrt.
Kleiner Brauner, Großer Brauner, Melange, Kaisermelange, Mokka,
Einspänner, großer Espresso, kleiner Espresso, Schale Braun, Schale Gold,
Fiaker, Franziskaner, Eiskaffee, Maria Theresia – der Erfindungsreichtum
österreichischer Kaffee-Createure kennt keine Grenzen. Egal ob Milch,
Schlagobers, Rum, Cognac, Orangenlikör, Eidotter – einfach alles kann mit
Kaffee gemischt werden.
„Was darf ich den Herrschaften bringen?“ Das stereotype Lächeln des
Kellners wartet geduldig den Wunsch der zwei Torpedos ab. Zur Untermalung
preßt sich ein Tenor mühsam die letzte Luft aus den Lungen. Der alte Herr
neben den Torpedos murmelt dem stereotypen Lächeln leise seinen Wunsch
entgegen und „Eine Melange“ erklingt es neben ihm etwas schrill
dazwischen. „Sofort gnädige Frau“. Ein paar Minuten später kehrt der
Kellner mit einem kleinen Tablett zurück, stellt die gewünschte Melange
und das übliche Glas Wasser vor den beiden Torpedos ab. Schrill erklingt
es: „Kann ich einen Löffel haben?“ „Der Löffel liegt auf dem Glas vor
Ihnen, gnädige Frau.“
Michaela Essler,
Dorfzeitung
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