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Das Bistro Porto Sol im Strandviertel Barra von Salvador, Bahia, Brasilien, ist mein Revier. Da bin ich der Gockel, krähe ich das letzte Wort. Während ich mich um meine Gäste kümmere, sucht mein Hirn das Huhn in meinem südländischen Domizil. 


Was bedeutet der Hahn für Portugal, die Nation, die uns kolonisiert hat? Wie viel davon überlebt im modernen Brasilien? "Azeite Galo", das Olivenöl, das ich zum Kochen benutze.

Ist Brasilien nicht einer der bedeutendsten Exporteure tiefgefrorener Hühnchen? "McChicken" leuchtet es von Acrylplatten der Fast-Food-Buden.

Kinder der Großstadt kennen kaum lebendiges Geflügel. Eher nur Teile davon im Supermarkt, auf Tellern. Es fällt ihnen schwer, die Schenkel und Brustteile mit Kampfhähnen und Hühnern für die Candomblérituale in Verbindung zu bringen.

In einer Favelahütte der Peripherie kräht oft ein fremder Hahn, nachdem der eigene, von den Kindern geliebte Gockel auf mysteriöse Weise verschwunden ist... Ein Tausch, der den Kleinen viel Kummer erspart und den Appetit auf Brathuhn oder Xinxin de Galinha sichert.

Hahnenkämpfe sind zwar seit den frühen 60er Jahren verboten, doch weiß jedermann, wo sich die sogenannten "rinhas" befinden, wie jene Arenas genannt werden.
Geflügel, insbesondere schwarze Hühner gehören auch zu den Opfergaben für die Heiligen der afro-brasilianischen und Naturreligionen im Candomblégelände.

Im Sommer, wenn der Touristenfluss zunimmt, kommen viele weiße Gockel in unsere Straßen, folgen mehr oder weniger schwarzen Hühnern. Sie krähen kaum, überlassen ihren portugiesisch gackernden Begleiterinnen die Wahl der Speisen.

Unweit von uns schlägt ein anderer weißer Gockolori hoch auf dem größten Misthaufen der heutigen Weltunordnung die Flügel, kräht seine Kampfaufrufe in alle Windrichtungen. Es geht ums Erdöl und um seine Vorteile, heißt es.
Kernöl, ein echtes steirisches Kürbiskernöl wäre mir lieber. Für den Salat, der zum Backhendl gehört.

Reinhard Lackinger Salvador 10.2.2003

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Er ist lauter
als eine Meise. Wählte ihn die Redaktion etwa deswegen zu
ihrem Symbol? 
Kulturhistorisch
ist dem Hahn eigentlich nichts mehr abzugewinnen. Fertig, aus!
Es gibt nichts mehr an ihm zu entdecken oder zu verbessern.
Wie bei der Geige, die ihren Höhepunkt schon im 17. Jahrhundert erreicht hat. Für alle Zeiten. Oder ist uns am Ende doch noch etwas entgangen?