Leopold Kohr
– Einsichten zum "menschlichen Maß"        
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   Leopold Kohr – Insights to "human measure of things"

Von Manfred W.K. Fischer
(Historiker und Leiter des Heimatmuseums Oberndorf)

Der berühmte Philosoph und Nationalökonom Leopold Kohr erblickte vor 90 Jahren, am 5. Oktober 1909, in Oberndorf bei Salzburg das Licht der Welt. Er gilt als der Begründer des Mottos "Small is beautiful", das Friedrich Schumacher 1973 ausformuliert hat. Bereits  vorherrschte, ständiges Wirtschaftswachstum könne alle Probleme lösen, trat Kohr dem entgegen. Er forderte die Rückkehr zum "menschlichen Maß". Kohr lieferte mit seinen Ideen viele Anregungen für die später entstehende Grün- und Ökologiebewegung. Seine wichtigsten Werke erschienen u.a. in Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Japanisch und Walisisch.

  Univ. - Prof. DDr. Leopold Kohr (1909-1994)

 

Das Ende der Großen

Bereits im September 1941 erschien im New Yorker Magazin "The Commonweal" ein Artikel Kohrs mit dem Titel "Disunion Now". Darin sprach er sich erstmals gegen den nationalen Größenwahn und für ein Europa der Kantone aus. Die nationalstaatlichen Einigungsprozesse der Vergangenheit hätten nur imperiale Großmächte hervorgebracht, die sich gegenseitig in den Haaren lägen, so Kohr damals. Anfang der 1950er Jahre vollendete Kohr dann sein Hauptwerk "The Breakdown of Nations" (Das Ende der Großen). Erst 1957 wurde das Buch in London veröffentlicht. Ein Indiz dafür, dass Kohr mit seinen Ideen seiner Zeit weit voraus gewesen ist.

Nach Kohrs Ansicht lag/liegt das Wohl des Menschen nicht im permanenten wirtschaftlichen Wachstum, sondern in der Rückkehr zum "menschlichen Maß". Er behauptete, dass hinter allen Formen des sozialen Elends eine einzige Ursache stünde: etwas (Staat, Wirtschaftseinheit, Betrieb, Institution) sei zu groß geworden. Um dies zu untermauern wies er auf die Analogie der Saurier hin, die ebenfalls an ihrer Größe zugrunde gegangen seien. Jede Vereinigung zu einer größtmöglichen Einheit sei die Vorstufe zum Verfall, so Kohr weiter. Als Beispiel führte er bereits damals einen Vielvölkerstaat wie die UdSSR an – heute längst in kleinere Einheiten zerfallen. Ein Staat sollte eine Bevölkerungsgröße von 12 bis 15 Millionen Menschen nicht übersteigen, denn dann würde er seine reibungslose Funktionsfähigkeit verlieren. Der Kontakt der Staatsspitze zur Bevölkerung wäre nicht mehr optimal gewährleistet.

Das "Anguilla-Projekt"

Sein Eintreten für kleine Staaten machte ihn zu einem Kämpfer für die Unabhängigkeit von Wales aber auch von Anguilla, einer kleinen Karibikinsel. Anguilla, zirka 300 km von Puerto Rico entfernt, zählte 6500 Einwohner und stand gemeinsam mit den Nachbarinseln Nevis und St. Kitts unter britischer Verwaltung. Die Inselbewohner erklärten sich 1967 unabhängig und wiesen dem britischen Gouverneur die Tür. Kohr lehrte damals an der University of Puerto Rico und sah sich berufen den Anguillanern zu helfen. Mit Hilfe von Freunden in den USA und Kanada organisierte er eine "Staatsgründungsaktion" und machte die Weltöffentlichkeit auf die Probleme dieser Insel aufmerksam. Der Bau amerikanischer Großhotels wurde auf Kohrs anraten ebenso verhindert wie die Errichtung einer Basis für die Schiffe des griechischen Reeders Onassis. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Möglichkeiten sollte kleinräumig und ohne Gigantomanie erfolgen. Das "Angiulla-Projekt" wurde allerdings nach zwei Jahren über Initiative der Regierung Wilson in London beendet. Anguilla behielt die eigene Verwaltung bekam aber wieder einen britischen Gouverneur. 1981 erlangte die Insel dann endgültig ihre Unabhängigkeit.

Kohrs Herkunft

Seine Ideen wurden von seiner Herkunft bestimmt. Auf seinen Geburtsort, den Flachgauer Ort Oberndorf, war Kohr Zeit seines Lebens stolz. Er selbst sagte, dass seine "Urbegriffe" nie global, kontinental oder österreichisch gewesen seien, sondern immer land-salzburgisch. Seine "Urdistanz", das Maß aller Entfernungen, blieb für ihn immer jene 22-Kilometer-Einheit, die Oberndorf von der Stadt Salzburg trennt. Gerade, weil sich Kohr seines Herkommens bewusst war und ihn dies mit Stolz erfüllte, war er kein Kleingeist, sondern ein Weltbürger.

  Leopold Kohr mit 27 Jahren

Kohr wuchs in Oberndorf auf, besuchte hier die Volksschule und in Salzburg das Gymnasium. In Innsbruck und Wien promovierte er in den Fächern Rechts- und Staatswissenschaften. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen und dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft verließ er aus politischen Gründen Österreich. Über Paris erreichte Kohr auf dem Dampfer "Bremen" 1938 die Vereinigten Staaten. Hier half ihm der aus Oberndorf stammende Bäcker Lämmermeyer die erste Zeit zu überstehen. Kohr hatte viele Schwierigkeiten, besonders finanzieller Art, zu überwinden. Bei der schweren körperlichen Arbeit in einem kanadischen Goldbergwerk erlitt er einen Hörsturz. Doch bald knüpfte Kohr viele Kontakte zu amerikanischen Intellektuellen und Auslandsösterreichern. In der "Österreich-Frei-Bewegung" setzte er sich für die Befreiung Österreichs vom nationalsozialistischen Joch ein. Bei seinen Bemühungen um die Freiheit Österreichs verwies er immer wieder auf das reiche kulturelle Erbe des kleinen Landes im Herzen Europas. Besonders in der Weihnachtszeit verwendete er dazu die Entstehungsgeschichte des Weihnachtsliedes "Stille Nacht! Heilige Nacht!". Durch seine Artikel erfuhren viele US-Amerikaner woher dieses Lied überhaupt kam. Gleichzeitig machte er die kulturellen Leistungen Österreichs und den Willen zur Selbständigkeit bewusst.

1943 begann er mit seiner Lehrtätigkeit an renommierten Universitäten in den USA, Puerto Rico und Großbritannien. Die Verleihung des Alternativen Nobelpreises an Kohr im Jahre 1983 rückte ihn und seine Thesen dann verstärkt in das Bewusstsein der österreichischen Öffentlichkeit. 1986 kam es in Neukirchen am Großvenediger zur Gründung der "Leopold Kohr Akademie", die sich bis heute erfolgreich um die Verbreitung von Kohrs Ideen kümmert.

Der Kontakt zu seinem Heimatort Oberndorf riss nie ab. Im Sommer 1993 beabsichtigte Kohr nach Oberndorf heimzukehren. In der Pension "Salzachhof" in der Brückenstraße sollte eine Dachwohnung bezogen werden. Bevor er dieses Vorhaben aber verwirklichen konnte, starb er am 26. Februar 1994 in seiner englischen Wahlheimat. Seine letzte Ruhestätte fand Leopold Kohr im Familiengrab am Oberndorfer Ortsfriedhof.

Im Stille-Nacht- und Heimatmuseum Oberndorf (Homepage http://www.oberndorf.co.at/museum) ist Leopold Kohrs Andenken ein Ausstellungsbereich gewidmet, der die wichtigsten Fakten zu seinem Leben und seine Schriften präsentiert. Die Bibliothek Oberndorf und das Museum widmeten Leopold Kohr am 1. Oktober einen Gesprächsabend. Prof. Alfred Winter, der Kohr Anfang der 1980er Jahre wieder in das Bewusstsein der österreichischen Öffentlichkeit rückte, brachte den Zuhörern Kohrs Leben und Werk nahe.

Wer sich über das Leben und Werk von Leopold Kohr näher informieren will, kann dies in den zwei folgenden, im Buchhandel erhältlichen, Publikationen tun:

* Lehner, Gerald: Die Biographie des Philosophen und Ökonomen Leopold Kohr.- Wien 1994.

"Small is beautifiul". Ausgewählte Schriften aus dem Gesamtwerk.- Wien 1995.

 


Leopold Kohr 
– Insights to "human measure of things"

By Manfred W.K.Fischer 
(managing director of "Heimatmuseum Oberndorf" and historian)

The famous philosopher and national economist Leopold Kohr was born 90 years ago on 5 October 1909 in Oberndorf, Salzburg. He is called the inventor of the slogan "Small is beautiful", that has been formulated by Friedrich Schumacher in 1973. Even back in the 50s and 60s when everybody thought that continued growth of economy can solve all the problems Kohr was against it. He wanted people to go back to the human measure of things. Kohr with his ideas provided a lot of ideas for the later growing green and ecologist-organization. His most important works were issued in English, Spanish, French, Italian , Japanese and Walisisch language.

  Univ.-Prof. DDr. Leopold Kohr (1090-1994)


The end of the big ones

Even back in Sept 1941 there was an article by Kohr issued in the New Yorker magazine "The Comonweal". The title of the article: Disunion Now. This was the first time he was against the national megalomania and for a Europe of cantons. The national unification procedures of the past has only brought up imperial super powers which fight against each other. That's what Kohr said those times. At the beginning of the 50s Kohr brought his main work to an end "The breakdown of nations". Only in 1957 the book was published in London. This is the evidence that Kohr has been far in the future with his ideas.

Kohr thought that welfare of human has nothing do with permanent economical growth but with going back to the human measure of things. He was convinced that behind all sorts of social poverty stands only one reason: something (government, economic, company, institution) has grown to big. To prove that he used the Saurians as an example, because they also died because of their size. Each unification to a big "one" is the first step to decay. Another example that he already used those days is the multinational state UdSSR - today already fallen into small units. A state should never have more than 12 to 15 Million humans otherwise it will loose its good functionality. The contact from the top of the state down to the humans is not as good anymore.

The "Anguilla-Project"

His enthusiasm for small states causes him to be known as fighter for the independence of Wales as wall as of Anguilla, a small Caribean island. Anguilla, approx. 300km away from Puerto Rico has 6500 inhabitants and was governed by the British together with the neighbor island Nevis and St. Kitts. In 1967 the inhabitants of the island declared themselves as independent and closed the door in front of the British governor. At this time Kohr was teacher at the university of Puerto Rico and somehow wanted to help the Anguillians. Together with friends from USA and Canada he organized a " state founding action" and made the world listen to the problems of this island. Due to the strength of Kohr the island did not allow that there was a big hotel built and also they did not allow that the Greece shipowner Onassis builds a basis for his ships. The development of the economical possibilities should happen in small steps and without megalomania. The government Wilson in London closed this "Angiulla Project" after 2 years. Anguilla got its own administrator but again a British governor. In 1981 the island got finally independent.

Kohrs origin

His ideas basically have something to do with his origin. He has always been proud of his background, he was born in Oberndorf, Salzburg. He himself said, that his abstract thinking has never been global, continental or Austrian but always "salzburgerisch". His distance, the measure of all distances has always been those 22km, which is the distance from Oberndorf to Salzburg. Just because Kohr never forgot where he came from, and he was proud about it, he was never a petit burgeois but a cosmopolitan.

  Leopold Kohr at the age of 27

Kohr grew up in Oberndorf, attended the basic school and Gymnasium in Salzburg. In Innsbruck and Vienna he did his exams in scientology of states and justice. He left Austria due to political reasons after the German groups came to Austria and the national socialistic government started. He went to Paris and with the ship "Bremen" in 1938 he came to USA. For the start he had help from the baker Lämmermeyer, who also came from Oberndorf. Kohr had to go through a lot of difficulties, especially financial problems. When doing heavy works in an Canadian goldmine he got a sudden deafness. But soon he had contact with some American intellectuals and "foreign-austrians". In the "Austria-Free-Organization" he stood for the liberation Austria's from the national socialistic yoke. With all his efforts to release Austria he always refers to the cultural inheritance of the small country in the heart of Europe. Especially at Christmas time he uses the history of the Xmas song "Silent Night, Holy Night and with his articles the Americans learnt the history of this song. At the same time he expressed the cultural achievments and the will Austrias to be independent.

1943 he began to teach on well known universities in the USA, Puerto Rico and Great Britain. He got the alternative Nobel Prize in the year 1983 and with this award his thesis came more and more to the mind of the Austrian public. At Neukirchen am Großvenediger the "Leopold Kohr Academy was founded in 1986 – this academy is still successful in spreading Kohrs ideas.

He always kept contact to his hometown Oberndorf. In summer 1993 he wanted to go back to Oberndorf. In the Pension Salzachhof, Brückenstraße, he was supposed to rent a attic flat. Before being able to settle down in Oberndorf again he died on 26 February 1994 in his English home. Leopold Kohr was buried in the family grave in Oberndorf.

In the Silent-Night and Home-museum Oberndorf (homepage: http://www.oberndorf.co.at/museum) there is one segment just in remembrance of him to show the most important facts of his life and his works. The library Oberndorf and the museum organized an interview evening on 1 October 99. Prof. Alfred Winter, who brought L. Kohr back to the mind of the Austrians in the beginning of the 80s, presented Kohrs life and works.

More information about Life and Works of L. Kohr are in the following 2 publications:

* Lehner, Gerald: Die Biographie des Philosophen und Ökonomen Leopold Kohr.- Wien 1994.

"Small is beautiful". Ausgewählte Schriften aus dem Gesamtwerk.- Wien 1995.

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