Die Probe
(Der brave Simon Korach)
Lukas BärfussUlrike Arp, Karo
Guthke, Oliver Hildebrandt, Christoph Kail, Georg Reiter. Regie:
Karin Koller. Ausstattung: Gernot Sommerfeld.
Zu Beginn des Stückes ist Peter Korach eben per
DNA-Probe draufgekommen, dass sein Kind nicht sein Kind ist. Meint,
damit alles verloren zu haben. Seine Eltern, Simon und Helle Korach,
er Kommunalpolitiker im Wahlkampf, sie gerade frisch vom
Selbsterfahrungstrip aus Indien zurück, nehmen ihren Sohn nicht
ernst, stehen sie doch als Alt-68er für ein ganz anderes
Familienbild. Peters Frau Agnes sieht in der Probe einen
Vertrauensbruch, ihre Wut kehrt sich gegen das Kind. Franzeck,
ehemaliger Alkoholiker, Wahlkampfmitarbeiter von Simon und
einquartiert in Peters ehemaligem Zimmer, ist an der Entdeckung
nicht unschuldig: mit sicherem Gespür für die gut versteckten
Geheimnisse und wunden Punkte der Familienmitglieder treibt er die
Korachs – und sich selbst - in die Katastrophe.
Die Vaterschafts-Probe, das Thema um das sich
alles zu drehen scheint, ist im Grunde nur der Angelpunkt, die
Verlogenheit der Beziehungen in der Familie aufzudecken: Kälte
allenthalben.
Der Text des Schweizers Lukas Bärfuss ist
sprachliches Schnellfeuer, Monologe und Dialoge mit präzisem Irrwitz
treiben die Handlung. Nirgends und niemals gibt es eine
Verschnaufpause: In dem von Bärfuss gestalteten Mikrokosmos ist
letzten Endes jede Person jeder feind.
Karin Koller, die schon wiederholt mit
Regiearbeiten im Schauspielhaus zu Gast war – etwa mit Dea Lohers
„Unschuld“, arbeitet in ihrer Inszenierung diese Kälte über weite
Teile sehr genau heraus. Die Personen sind bis zur Karikatur
überzeichnet. Eine jede entzieht sich der Rolle als Sympathieträger,
jeder Ansatz, echte Nähe aufzubauen wird durch Misstrauen, durch die
Unfähigkeit, von sich selbst abzusehen, durch blanke Bosheit in eine
erneute Erfahrung von Verrat und Einsamkeit verkehrt.
Georg Reiter gibt überzeugend den scheinbar
gemütlichen, engagierten Lokalpolitiker, der - in der familiären
Katastrophe hilflos - über der Leiche des Sohnes nach der greifbar
in die Nähe gerückten Machtposition giert. Christoph Kail als
Franzeck spielt wandlungsfähig und präzise wie immer, die
Zerrissenheit seiner Figur zwischen Hass auf die ihm vorenthalten
gebliebene Familienidylle und Sehnsucht nach Zugehörigkeit mit
vollem Körpereinsatz sichtbar machend.
Oliver Hildebrandts Peter Korach bleibt gemessen
daran eindimensional, ein Jammerlappen ohne verborgene Tiefe. Dass
Agnes seinetwegen den Boden unter den Füßen verliert, ist kaum
nachvollziehbar. Überzeugend dargestellt wird jedoch diese von Karo
Guthke, die der durchaus nicht gefälligen Figur Intensität und – in
der dem ganzen Stück eigenen schrillen Pointiertheit -
Glaubwürdigkeit verleiht.
Ulrike Arp zeichnet Mutter Helle Korach als
seltsam distanzierte Person; ob hinter ihrer beharrlich zur Schau
getragenen Fassade aus angelernter fernöstlicher Philosophie pure
Dummheit oder sorgfältig unter Verschluss gehaltenes Leid liegt, ist
schwer zu entscheiden. Man verstünde es gerne...
Die Ausstattung von Gernot Sommerfeld kommt mit
wenigen Elementen aus. Der Fußboden im Korach’schen Wohnzimmer, dem
einzigen Schauplatz der Handlung, knöcheltief bedeckt mit weißem
Kies, unter den gekehrt wird, was garade zu verstecken ist: nicht
nur Zigarettenkippen. Grüne Sitzsäcke in unterschiedlichen Größen,
ein zuckerlbunter Zimmerbrunnen mit chinesischem Billigbuddha, die
Fußbadewanne, in der Simon Korach unablässig seine Füße badet: in
Unschuld? Die überhohen Wände aus Zerrspiegeln vervielfältigen und
reflektieren die seelische Verbogenheit der Personen ins Sichtbare,
das gleißende Weiß des Gesamtbildes und das erbarmungslose Licht
bilden ab, was die Sprache seziert.
Bestimmt kein gemütlicher Theaterabend,
sicherlich ein interessanter.
Christina Klaffinger,
Dorfzeitung, 8. 3. 2008
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